RHEINISCHE POST D
UWE WITSCH

Herman van Veen ist nicht mehr aufzuhalten

5. Januar 1989

DÜSSELDORF. Wenn der niederländische Sänger und Clown Herman van Veen vom 11. Januar an mit kleinen Unterbrechungen zwölf Abende lang in der Düsseldorfer Tonhalle gastiert, dann ist das ein Phänomen im Show-Business. Keine bundesdeutsche Stadt in der acht Monate währenden Tournee, in der der Stargast nicht mindestens zwei Tage verweilt. Mehrere Vorstellungen gibt er auch in Hamburg, Berlin und München, doch Düsseldorf steht an der Spitze. Der Trend für diese ausgedehnten Gastspiel-Aufenthalte zeichnete sich vor sieben Jahren ab, als es wegen des großen Erfolgs und Andrangs vier Wiederholungskonzerte gab. Die jetzt r angesetzten zwölf Abende werden ausverkauft sein.


„Ein zärtliches Gefühl”

Vor 14 Jahren sah es noch ganz anders aus. Damals, in der noch nicht zur Tonhalle umgebauten Düsseldorfer Rheinhalle, trat Herman van Veen vor sehr vielen gelichteten Reihen auf. Was dem Künstler wohl erst gegen Ende seines Gastspiels auffiel, als er Erbsen streuend über die Sitze hüpfte und die kleine Besucherschar an der Tür verabschiedete. Der Einstand fand überraschend geringe Resonanz, obwohl der Künstler aus Utrecht in seinem Heimatland bereits als gestandener Entertainer galt und von der deutschen Kritik als neues Talent gefeiert wurde.
Holländer galten damals als willkommene Importware in allen Bereichen von Rock bis Chan-'on. Herman van Veen verknüpfte icht nur geschickt alle Stilelemente w
Inzwischen haben die bundesdeutschen Fans Herman van Veen als einen der ihren vereinnahmt. Dafür sprechen neben 40 niederländischen Platten 30 deutschsprachige Veröffentlichungen. Aber auch Frankreich und selbst den Broadway hat das Allround-Talent inzwischen erobert. Herman van Veen ist ein Unternehmen geworden.

„Ich nehme Stellung”

Seinerzeit sah sich Herman van Veen als Komödiant, der versteckt Ernsthaftes sagt. Damals erklärte er: „Ich bin nicht politisch.” Aber: „Ich nehme Stellung.” Inzwischen ist er nicht nur aktiver geworden, indem er Projekte in der Dritten Welt unterstützt, er zeigt sich auch bei seinen Auftritten direkter. Aber auch er hatte seine künstlerischen Krisen. Dafür spricht die distanzierend gemeinte Verszeile: „Es ist inzwischen Mode, verinnerlicht zu sein.”

Die Widerhaken, die einst das bürgerliche Leben mit poetisch anmutenden Zeilen aufreißen konnten, bekommen heute eine zusätzliche politische Färbung, wenn beim Vernehmen der Hungerkatastrophen in der Tagesschau Fragen auftauchen wie „Noch einen Tee?” und „Ohne Zucker?" Das wird auf der Bühne mit wenigen Gesten vorgespielt.

Für die französische Bühne urteilte Kollege Georges Moustaki:

„Charmanter Clown
und singender Mime
tanzender Harlekin
und Musikant
Herman van Veen, mein Bruder aus den Niederlanden
ich grüße in dir die Weisheit des Narren
und die Unverschämtheit des Moralisten
während du vorgibst,
uns nur zu unterhalten.”





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