ALLGEMEINE ZEITUNG
Karsten Hinzmann

Der Träumer, der Tränen in die Augen treibt. . .

4. Dezember 1992

Hamburg. Ein Komödiant, ein Clown, ein Musikant ist er. Wie verzaubert hängen die Menschen an den Lippen dieses Mannes. Hermann van Veen ist wieder da: 17mal in Hamburg, so oft wie niemals zuvor. Doch nicht nur Träumereien schwirren zwischen Bühne und Zuschauerrängen hin und her. Hermann van Veen nimmt Stellung: zur Politik, zum „kollektiven Schweigen“ und zu Menschen, die andere totschlagen'. Mit dem Mut eines Holländers, den Deutschen etwas sagen zu wollen. „Aber ich muß vorsichtig sein.“ Das sei ein Thema, das zu leicht verletzt: „Mich und meine Zuschauer.“


Seine Lieder sind diesmal ernst, weniger spielerisch, obwohl auch das Kind in Hermann van Veen noch längst nicht gestorben ist. 'Spartanisch das Bühnenbild, die wenigen Requisiten, das Klavier, ein Saxophon, die Juke-Box. Ein Konzert, in dem ein Ostberliner Hund einen Westberliner Hund fragt, während sie sich anpinkeln: Stand hier nicht vorher etwas dazwischen? Und Hermann van Veen erzählt von dem Menschen, der gehen mußte, zu groß war die Gefahr. Schon glaubte'er sich im gelobten Land, aber keiner will ihn haben. Jetzt wünscht er sich nach Hause.

"Nicht das Pinkeln hat sich geändert, sondern die Wirklichkeit“, sagt van Veen zu den Einheitsproblemen der Deutschen.

Genau zuhören muß das Publikum, denn der 47jährige Holländer singt kaum alte Stücke. Der Weg in die Traumwelt geht am besten über die Person, die da über die Bühne flitzt, die dem Pianisten Erik van der Wurff schelmisch in den Po piekt. Hermann van Veen plaudert über das Baby, das sich an der Nabelschnur zurück in den Bauch der Mutter kuschelt. Er fragt sich, wie das wohl ist mit dem Tod. Was zieht man zu so einer Gelegenheit an? Und hat Gott eine Mutter? Und mag sie auch so gerne Apfelstrudel?

Er fasziniert mit seiner Art, Dinge einfach zu erklären und die Fragen eines Kindes zu stellen. Er fasziniert mit,diesem zärtlichen Gefühl für jede Frau und jeden Mann, wer eben wehrlos lieben kann. Hermann van Veen ist der Träumer, der einem Tränen in die Augen treibt, der mit Körper und Stimme eine Philosophie in die Herzen seines Publikums verpflanzt. Er singt noch, als die meisten schon gegangen sind und nur noch eine,vHandvoll vor der Bühne ausharrt.

Wer diesem Zauber bis 19. Dezember erliegen will, bekommt noch Karten.



Karsten Hinzmann