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Leise Töne, die zum Nachdenken locken

Herman van Veen (Niederlande) weilte rum Gastspiel in Weimar

4 nov 1987

Hunderte warteten auf eine Chance dabeizusein, versperrten unabsichtlich den stolzen Kartenbesitzern den Zugang zur Weimarhalle — und sie kamen doch hinein, die Wartenden. Auf den Balkon über dem Eingang zum Weimarer Veranstaltungszentrum trat er, bat mit einer Geste um Ruhe, forderte die Wartenden auf zurückzutreten und dann in drei Reihen sich in die Herman van Veen, Gänge des großen Hauses zu begeben. Und so waren auch sie dabei, als Herman van Veen in Weimar gastierte.


Der Niederländer hatte schon Wochen vor dem vergangenen Sonntag ein großes Rennen um die großen Preise ausgelöst. Nun war er da und von der ersten Sekunde seines Auftretens war auch Stimmung, der Saal ging mit: die Fans sind eben eine Macht (wie ein anderer Interpret aus eigenem Land verkündet).

Auf seiner Tournee durch unser Land besuchte Herman van Veen auch Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt. Der Erfolg war an jedem Ort wie auch in Weimar fast vorprogrammiert. Das war nun nicht etwa nur das Resultat eines güten Managements, sondern in der Hauptsache das Ergebnis des Rufes dieses beachtenswerten Künstlers.

Es fällt schwer, Herman van Veen einzustufen, ihn in irgendein Genreschächtelchen zu schieben. Ist er Sänger, ist er Entertainer, ist er ein einfühlsamer Texter, ein virtuoser Instrumentalist, gar ein exzellenter Pantomime oder gar ein Clown? (Wenn ich ein Clown sein soll, äußerte er sich, dann aber ein politischer!)
Wie er auftritt, ist alles ernst gemeint, doch im nächsten Moment kann die Stimmung „umkippen“. Das Publikum im Saal kannte seinen Herman. Er brauchte nur zu „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“, zu „Na ja“, zu „Kleiner Fratz“, zu „Warst du dagegen?“ die ersten Akkorde anzuschlagen, schon raste der Saal.

Auch das ist außergewöhnlich bei Veranstaltungen dieser Art — blitzschnell still und fast andächtig zuzuhören. Herman van Veen und sein Publikum. Es war ein Abend der leisen Töne, der zwischen einzelnen musikalischen Darbietungen in den Saal geworf enen Bonmots — über die man erst auf dem Heimweg zum Nachdenken kam.
Nachdenken sollte man über die Wirkung dieses Niederländers. Er ist, und das steht fest, ein in unserer gemeinsamen Welt engagiert lebender und wirkender Künstler.
Er engagiert sich für Kinder, war schon 23jährig Botschafter der niederländischen Jugend bei UNICEF,

1977 hat er „Colombine“ gegründet, eine Hilfsorganisation für die „dritte Welt“. Und das Geld dafür? Auch aus Benefiz-Konzerten des Gründers. Hut ab!

In seinem Programm war nichts leicht tändelnd, war nichts, was „so einfach“ bestehende Gräben verwischte. Und wenn nur einige noch nach Tagen über seine Texte nach-denken, sie haben dann selbst gewonnen. Sechs Zugaben waren der Dank eines, großen Künstlers an sein Weimarer Publikum. — Und dann begann die Autogrammjagd. Rätselhaft, wo viele ihre mitgebrachten LPs während der Veranstaltung aufbewahrt hatten.


Als er® mit dem Signieren begann, da waren sie alle wieder da.



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