Westfälische Nachrichten
Heike Böhmer

Menschliches zwischen Tief- und Unsinn

Zwei Abende mit zärtlichem Gefühl: Herman van Veen begeisterte Tausende

4 nov 1985

Wie schafft es dieser-Holländer nur, jedes Jahr wieder die Manschen in seinen Bann zu ziehen, ihnen jenes „zärtliche Gefühl“ zu vermitteln, gleichzeitig knallhart das Elend in dieser Welt zu kritisieren, darüber zu sprechen, „was Menschen Menschen antun“ und eine Atmosphäre von Wärme und Menschlichkeit um sich herum zu verbreiten? Herman van Veen, dieses quirlige All-round-Talent, wurde am Donnerstag-und Freitagabend in der ausverkauften Halle Münsterland wieder einmal allen Ansprüchen gerecht.


Dabei hatte er es bestimmt nicht leicht, waren doch die Erwartungen aufgrund seiner grandiosen „Signale“-Tour vom letzten Jahr gewaltig hochgeschraubt. Doch bereits die Stücke seines letzten Albums „Auf dem Weg zu dir“ -übrigens auch Motto der diesjährigen Tournee - ließen ahnen, mit welcher Konsequenz Herman van Veen seinen Weg geht. Noch politischer, noch zynischer, zwar ohne die Knalleffekte vom letzten Jahr, doch nicht minder eindringlich ist die diesjährige Bühnenshow.

In Deutschland vor allem bekannt geworden durch seine Kindersendung „Die seltsamen Abenteuer des Herman van Veen“, besticht der mittlerweile 40jährige immer noch durch kindliche Unbefangenheit und eine gehörige Portion schwarzen Humors. War es im letzten Jahr noch der große Luftballon, der das Bühnenbild beherrschte, so ist es diesmal ein riesiges schwarzes Loch, das durch Anstrahlung wie ein großer, reflektierender Spiegel wirkt. Einen Gegenpol zu den Musikern bildet die Anordnung von Transportkoffern; die wenigen Requisiten wie Schlips, Hut und Schirm wirken wie wahllos auf der Bühne verstreut.

Das Programm vor der Pause dürfte vielen noch vertraut gewesen sein, hat Herman van Veen doch Teile seiner „Signale“-Shaw übernommen. Herausragend waren hier wieder die Clownerie mit den Ping-Pong-Bällen und die phantastische Interpretation der „klitschnassen Clowns“. Bestechend in seiner gesunden Naivität wirkte das fingierte Telefongespräch von Herman mit seinem Kind: „Eigentlich gibt es zwei Deutschlands. In dem einen Teil haben die wahnsinnig gute Sportler und machen Stacheldraht; im anderen Teil haben die wahnsinnig viel Geld und machen Imbißbuden. Die sprechen da deutsch. Deutsch ist eine Art Holländisch mit einem wahnsinnig komischen Akzent.“ Typisch für Herman van Veen, daß auch hier wieder Ernst und Spaß so dicht beieinanderliegen.

Der zweite Teil des Konzertes war ein irres Feuerwerk von bissigen Gags, zynischen Pointen, hintersinniger Komik: Hermans mißlungener Versuch, MÜNSTER (Eig. Ber.) Einlaß in eine Disco zu bekommen -„Die lassen mich nicht rein, weil ich eine Glatze hab“ Hermans „Todesszene“, der „Sarg“ geschmückt mit der winzigen holländischen Flagge; Hermans Weg durch den Urwald, sein „Schütt, schlitt“ über „weite Eisflächen“; Hermans Wahl zwischen Himmel und Hölle - „Im Himmel, da bin ich vielleicht ganz allein; in der Hölle, da treff ich all meine Freunde und Bekannten“ - Hermans pathetisches Lamentieren - „Ich will nicht tot sein, ich will leben, ich muß doch noch so viel tun, ich muß doch mein Auto noch waschen ..-. Bevor man da lacht, muß man erst ein paarmal schlucken.

Ein Höhepunkt war van Veens Parodie auf den derzeitigen Tennisboom. Sein überkandideltes „Quiet please“ die Tennisstudie in Zeitlupe, detailgetreu bis hin zum grimassenhaft verzerrten Gesichtsausdruck, das bewies Brillanz und Perfektion. Natürlich durfte auch ein Ausschnitt aus Herman van Veens Kinderoper „Die seltsamen Abenteuer des Alfred Jodokus Quack“, die im Hamburger Schauspielhaus wochenlang ein Riesenpublikum begeisterte, nicht fehlen.

Doch bei aller schauspielerischen Leistung - auch die Musik kam nicht zu kurz. Herman van Veen brachte einen Querschnitt durch sein breitgefächertes Repertoire. Er ist nicht auf eine Stilrichtung festgelegt: Walther von der Vogelweide und Franz Schubert gehören ebenso in sein Programm wie Roger Waters und Rilke. Es ist wohl gerade diese gekonnte Mixtur aus Pantomime und Zauberei, Clownerie und Klamotte, Tief- und Unsinn, Tanz und Gesang Lachen und Weinen, die den Reiz eines Herman van Veen ausmacht.



HEIKE BÕHMER