STADTZEITUNG
Günther Pawel

Bis hierher und weiter Herman van Veen in Braunschweig

4 januari 1989

Unter zuckenden Blitzen und Donnergetöse, mit dem die 32 Lautsprecher die Stadthalle zum Beben bringen, tritt er mit verbundenen Augen auf die Bühne, tastet sich blind durch das Szenario - einer Mischung aus Showbühne und Dächern einer Großstadt - hält inne, schnuppert und stellt fest: "Ah, Braunschweig."


Herman van Veen, der singende, geigende, zaubernde und schauspielernde Entertainer aus Holland zieht das Publikum in der vollbesetzten Stadthalle sofort in seinen Bann und hat es fest im Griff.
Singend, spielend und erzählend schlägt er einen weiten Bogen von den letzten Kriegsjahren - mit Glenn-Miller-Background - bis zum Wahnsinn von heute: "Kriegstod oder HIV -Don't worry, be happy!" Verbunden damit ist seine eigene Geschichte von der Fahrt der Mutter auf dem Fahrrad zu seiner Entbindung im Utrechter Krankenhaus bis zu seiner feierlich inszenierten Sarglegung auf der Bühne: "Ich bin heute so wahnsinnig glücklich, daß ich mit Ihnen über das Sterben sprechen will." Dazwischen hinreißende Persiflagen: Herman als Bodybuilder, Herman als amerikanischer Popstar mit hirnlosen Songs "You're so nice" und seine striptease-mäßige Mutation zum Tennis-Champion mit perfekter Zeitlupenstudie.

Philosophische Betrachtungen zur "totalen Frau", der wir alle schon begegnet seien und die dennoch nur Traum bliebe, und der kleinen Liebe für den Alltag, zu verkorksten Tagen und Situationen, die so sind wie ein "Griff ins Klo"; Zaubertricks wie der mit der schwebenden Kugel, deren Zusammentreffen mit einer zweiten unversehens zum Weltuntergang gerät, und immer wieder seine Lieder sind weitere Komponenten dieses dreistündigen Abends, an dem die gebannte Fanversammlung unterhalten und erschreckt, zum Lachen und zum Nachdenken gebracht wird. Herman van Veens perfekte und trotzdem spontan bleibende Bühnenshow ist so auf ihn zugeschnitten, daß man seine hervorragenden Musiker beinahe zu nennen vergißt. Erik van der Wurfff, Synthesizers, Nard Reijnders, Sax, Klarinette, Akkordeon, und Cees van der Laarse, Baßgitarre, sind maßgeblich an der Show beteiligt, und mit ihnen eine große Zahl Mitspieler, Techniker und Zuarbeiter.


Fazit: Herman van Veen auf Schallplatte - ein Fall für stille, nachdenkliche Stunden. Herman van Veen auf der Bühne - mit Sicherheit kein "Griff ins Klo".



Günther Pawel