RENATE SARTORIUS

Eurogress Aachen:

Eine Zitrone im süßen Packpapier

Unterhaltungskünstler Van Veen begeisterte das Aachener Publikum

3 dez 1977

Aachen. - Er paßt in keine Schublade, oder in alle: Herman van Veen, Unterhaltungskünstler aus den Niederlanden. Sein Auftritt im Eurogress am Mittwochabend bewies einmal mehr, er versteht sein Geschäft.


Was ist er nun eigentlich? Musiker, Sänger, Rezitator, Schauspieler, Parodist, Pan- tomine, liebenswerter Quatschmacher?
Auf Herman van Veen treffen alle diese Begriffe zu, er ist die lebende Definition eines Show-Menschen.
Und die Pointen seiner Show sitzen! Er scheut sich nicht, Gefühle zu wecken, doch wühlt man sich durchs süße Packpapier, hält man plötzlich eine Zitrone in der Hand. Wie heißt eines seiner Lieder so treffend? "Ich hab' ein zärtliches Gefühl." Und er zeigt es: Für den Menschen von nebenan, für die Kinder, für unser Leben, dessen Alltäglichkeit uns so leicht stumpf macht. Die gesellschafts- und sozialkritische Richtung ist unüberhörbar. Seine Anklagen suchen sich mit einschmeichelnden Tönen einen Weg zu unserem Verstehen, und hat er die Schale durchbrochen, deckt der nächste Gag aufgerissene Wunden wieder zu.

Der examinierte Lehrer für Musikerziehung, Geige und Gesang, seit 1968 auch Botschafter Hollands für die UNICEF, verordnet seinem Publikum ein Wechselbad nach dem anderen. Seine Parodien und Witzeleien, seine Anklagen und bitterbösen Spitzen, sein Hauch von Rührung, noch schüttelt man sich vor Lachen, dann verstummt man betroffen.
Herman van Veen ist unbestritten der Star seiner Truppe. Agiert er auf der Bühne, vergißt man zeitweise seine Band. Doch ihre Solisten zeigen, sie sind jeder für sich ebenfalls Könner. Erik van der Wurff an Piano und Orgel, Hans Koppes an Tuba und Euphonium, Harry Sacksioni an der Gitarre, Martijn Alsters, Flöte, Ger Smit, Posaune, und nicht zuletzt auch Herman van Veen mit der Geige, sie brillieren alle und liefern die passenden Schule, mit denen Herman van Veen durchs Programm wandert

Er vermag sein Publikum urützureißen, trotz der Hallen-Größe, verschafft sich mit einem kurzen, schiefen Grinsen des Zuschauers Sympathie, wirkt so ungekünstelt, als seien ihm gerade eben spontan die Ideen zugeflogen. Sein Abgang war symptomatisch für seine ganze Show. Das Publikum schwelgte in Beifallsstimmung, klatschte und pfiff begeistert, auch noch nach zwei Zugaben. Lässig sprang Herman van Veen in den Saal, die Zuschauer erhoben sich, verfolgten gespannt seine unbeirrten Schritte durch die Gänge, lachten schon in Erwartung eines neuen Gags, und was tat der Spaßmacher aus Holland? öffnete seelenruhig die Saaltüren und ward nicht mehr gesehen. Er tut eben nie das, was man gerade von ihm erwartet. Nach seinem Auftritt in Aachen kann der Entertainer sicher sein, daß viele seiner Zuschauer sich freuen, ihn am Sonntag in einer eigenen Fernseh-Show Wiedersehen zu können. mar" uan Uo"" t- *- -



RENATE SARTORIUS