Stuttgarter Zeitung
rdr

Van Veen unterm Vollmond

3 nov 1981

Die Szene im vollbesetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle schien sanft eingestimmt. Worauf wartete das Publikum? Unterm Licht des Vollmonds, der die Bühne beherrschte, sah es eher nach Streicheleinheiten aus mit den Liedern, Notizen und Geschichten des Herman van Veen.
Der begann denn auch sanft und nachdenklich mit der Feststellung, die Saison sei zu Ende, die Stühle stünden auf den Tischen.



Der vielseitige, vitale Holländer freilich stimmte mit seinem Auftritt spät am Samstagabend (für den er auch seinen Titel parat hatte) vehement eine vielversprechende Tournee-Saison ein, bei deren Auftakt es die Leute gleich von den Stühlen riß. Und er brachte alles, worauf seine vielen Freunde gewartet hatten: Zärtliches, Zartheit in der Pantomime, Poesie in liedhaft Eingängigem, Slapsticks und Fragen, die an Existentielles rühren, er war sympathischer Clown, mal spöttischer, mal aufrüttelnder Mahner, dazwischen mit scharfen Tönen, mit Donner und Blitz.
Die ihm zu Gebote stehende Palette reicht so weit, daß jeder irgendwo berührt werden muß, daß, wie die Resonanz bewies, ständig ein großes Auditorium fasziniert, in Atem gehalten wird. Da hat einer so oder so die Hand am Puls, und eine eigenartige Atemlosigkeit - oder ein atmendes Miteinander? - beherrscht dauernd Podium und Parkett. Das gipfelt etwa in einer Szene, wo dieser Herman van Veen bei der Beschäftigung mit der hartnäckig aufklingenden Geigensonate als Suchender zum Klassiker wird.

Nicht zu vergessen bei alledem, daß man es mit einem Chansonnier von hohen Graden zu tun hat, dessen einschlägige Nummern an sich schon Programm genug wären, in den deutschen Texten von Thomas Woitkewitsch und Ruth Mebes Wort für Wort t vorbildlich artikuliert und mit van Veens liebenswerter Eigenart attraktiv akzentuiert.



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