Neue Presse
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Immanuel-Spatzen machen Abendmusik von und mit Herman van Veen

Lieder über Mut und Übermut zwischen Melancholie und Magie

2. november 1992

Laatzen (sb). Kommt er, oder kommt er nicht - das war am Freitag nachmittag anlasslich der Abendmusik im Kirchenschiff an der Alten Rathaussstraße die Frage.Zugesagt hatte er. Herman van Veen, gerade auf einem Tourneestopp in Hannover, wollte sich seine Lieder anhören. Zwölf an der Zahl hatten die 34 Immanuel-Spatzen zu einem musikalischspielerischen Potpourri unter der Leitung von Cornelia Jiracek in Szene gesetzt. Ein Mann, ein Wort: Als das Lampenfieber vor dem Auftritt, die Neugier im Publikum am allergrößten waren, huschte der Holländer schnell auf seinen Ehrenplatz in der ersten Reihe.


Hei, kleiner Fratz ...¦ das habe sie von den Kindern im Chor als Antwort auf ihre Frage erhalten, wer Herman van Veen sei. Cornelia Jiracek bringt ein Lied ins Spiel, das nicht nur der Liebling vieler kleiner Van-Veen-Fans ist. Welches große Menschenkind träumte nicht gern von der spielerischen Leichtigkeit des Kindseins: „Mit den Haaren im Wind, auf den Wangen die Sonne" - mit dem kleinen Fratz entführten die Kinder der Immanuel-Kantorei jetzt in eine für manche ihrer zahlreichen Zuhörer längst vergangene Zeit.

Schön ausgesucht waren die Lieder aus Phantasie und Feder des holländische^ Multitalents. Über gesunden Mut und ebensolchen Übermut, von Lebenslust und Liebe, Melancholie und Magie erzählen Töne und Texte made in Harlekijn. So heißt Herman van Veens nahe Utrecht gelegene Ideen- und Nachwuchsschmiede, die Kunst- und Kommunikationsfirma ist und an fast allen Strippen in den Metiers, der schönen Künste zieht. Aber Harlekijn kümmert sich nicht nur um die Welt vom schönen Sein und Schein: Colombine - für sie läßt die klassische Clownsfigur aus der Commedia dell’arte ihr Herzblut fließen - heißt die von van Veen 1975 ins Leben gerufene Dritte-Welt-Stiftung.

Schön vor den Altar gebracht waren die Lieder über Sorgen, Sehnsüchte und Träume großer und kleiner Menschen. Vielleicht waren es die Geschichten. Vielleicht war es der Ansporn, der die kleinen Künstler mit einer Aura von Feuereifer umgab, denn schließlich verlieh der Liedvater im Publikum der Aufführung einen ganz besonderen Anstrich. Dem Publikum jedenfalls ging der Bühnenzauber unter die Haut. Manchen sogar mitten ins Herz.

„Da kommen einem fast die Tränen“, raunt ein junger Mann seiner Sitznachbarin zu, als Pavel Jiraceks helle Stimme mutterseelenallein durch die Tonhöhen des tieftraurigen Küßchen-Liedes singt. Nur mit dem Riesenteddy zum Festhalten auf dem Schoß wird der Jiraceksche Sprößling Publikum und prominentem Zuhörer als Star der Inszenierung präsentiert. Der Applaus besagt: Der Star hat seine Sache gut gemacht. Der junge Mann stellt nach einem Blick in die Sitzreihen hinter sich erstaunt flüsternd fest: „Da sind ja wirklich welchen die Tränen gekommen!“

Ob einheimische oder prominente Hände aus einem anderen Land - alle liefen beim Klatschen zum Schlußapplaus für die Immanuel-Spatzen zu Höchstform auf. Aber Gäste und Gastgeber des Kinderkonzerts wollten nicht nur das Händeklatschen von Herman van Veen hören. Ohne eine kleine Einlage kam er nicht davon. Genauer gesagt zwei, denn das Publikum intonierte lautstark per Zugabenrefrain seinen Wunsch nach dem bekannten zweiten Standbein.

Aber danach müsse er ganz schnell weg, kündigte van Veen an. Schließlich müsse er vor seinem Abendkonzert noch essen -und das Gegessene wieder loswerden. Mit dem lebensnahen Spruch auf den Lippen und mit „Anne“ zum Abschied tröstete er jede Trauerträne, die noch vom kleinen Fratz herrührend vielleicht in irgendeinem Augenwinkel klebengeblieben war. Und dann war der große Fratz ganz schnell plötzlich einfach weg - wie der Blityz ... Flitz!



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