Penzberger Merkur
Karl Robert Brachtel

van Veen war wieder da

Der holländische Entertainer gastiert im Kongreßsaal

2 nov 1977

Er war unter uns, im Münchner Kongreßsaal, der engagierte holländische Entertainer Herman van Veer den es seit 1945 gibt - wie das in seiner eigenen, skurril-närrisch-besinnlichen Terminologie heißt. Sicher, sie ist nicht einmalig, diese Mischung aus Musik, Schauspielerei und Pantomime, heute schon gar nicht; aber sie wird hier von einem Vielkönner ganz persönlich geprägt, einem Künstler, der die Szene (und damit sein Publikum) zweieinhalb Stunden lang fest in der Hand hat, der Theatermann genug ist, nie auch nur das kleinste Knarren in den Scharnieren des Ablaufs vernehmen zu lassen.


Er arbeitet mit scharfen Kontrasten, die vielleicht nicht immer überzeugen, aber insgesamt einen Stil ausmachen und eben für viel Drive sorgen. Mit spröder Stimme, gefärbt vom sperrigen Holländisch, singt er Liebeslieder, denen er eine Parodie nachjagt, verstreut er Aphorismen, die manchmal (absichtlich?) ins Leere gehn, verspritzt er schwarzen Humor und Sozialkritik, entlarvt er Alltag und politische Entwicklungen. Auch ein Largo von Corelli (für Geige und Klavier), ein Chanson von Brei haben dazwischen noch Platz. Aber am Kunstgewerbe geht es allemal vorbei, manchmal haarscharf.

Oft geht die Assoziation direkt in die Epoche Erecht-Kästner-Marcellus Schiffer, musikalisch ausgedrückt: Weill-Rat- haus-Spoliansky; und Hindemith. Von der Musik ist die Show wesentlich mitbestimmt. Das gilt nicht nur für Gesang und Szene, etwa innerhalb der Pole Az- navour und Insterburg, sondern auch für die Instrumental-Intermezzi,, Kakteen aus dem Vorgarten der Popmusik.

Die fünf Musiker im Hintergrund - und einzeln der Reihe nach auch jeder ein-, zweimal im Vordergrund - sind weit mehr, als Begleiter. Es sind zwei Blechbläser (in mittleren und tiefen Regionen), ein Flötist und die beiden Mitkomponisten Erik van der Wurff an den Keyboards und Harry Sacksioni an Gitarren, Banjo und Baß. Sie hatten sich eingeprägt, auch als sie nicht mehr da waren und Herman van Veen ganz allein durch die Mitte des großen Saales abging.



Karl Robert Brachtel