Peiner Allgemeine Zeitung
mck

Harlekin bei der Probe

Herman van Veen im Funkhaus Hannover

2 juni 1975

Einen solch herrlichen unaufgeräumten Tag wird die Bühne des kleinen Sendesaals im Funkhaus Hannover wohl selten erlebt haben. Zwischen Kabeln, Kameras und komplizierten technischen Dingen träumt ein bunter Kinderball, wartet eine Geige geduldig auf ihren Einsatz, geben sich ein paar Stühle ein Stelldichein, baumelt in runder Pracht ein Ballon von der Decke herab, der je nach Beleuchtung Vollmond oder Sonne darzustellen scheint. Krimskrams muß wohl auch herumliegen, wo einer wie Herman van Veen sich wohl fühlen soll; wo er seine artistischen Eskapaden und Kunststückchen abzieht, zwischendurch Balladen, Chansons, Lieder singt, während schlichte und von melancholischen Grundtönen durchsetzte Poesie auffallend mit der Ausgelassenheit seiner Harlekinaden kontrastiert.


In die fast intime und freundliche Atmosphäre dieses Sendesaals paßt die Kleinkunst des Tausendsassas aus Holland auch hinein. Schon die Generalprobe für die Aufzeichnung einer Fernsehshow macht das deutlich. Zwischen den Zuschauern und dem gelassenen Akteur im Bühnendurcheinander gibt es keine Barrieren. Man blickt im Scheinwerferlicht erstaunt noch jenen Fusseln nach, die er soeben bei einem wilden Intermezzo auf der Geige hat hochflimmern lassen. Ob sich diese Atmosphäre auch auf die Mattscheibe transportieren läßt?

Herman van Veen absolviert die Generalprobe tatsächlich so konzentriert, als müsse er einen großen Saal unterhalten. Verblüffend ist dabei immer wieder seine Vielseitigkeit:
Auf engstem Raum tanzt, singt, spielt, kaspert, musiziert er, führt Pantomimen vor, wie man sie so frech und witzig nicht oft sieht. Am amüsantesten gerät ihnen hier eine Fußballparodie, in der sich der quirlige Alleinunterhalter im Zeitlupentempo abbolzt, dem imaginären Angreifer ein wüstes Duell liefert, sich mit dem nicht weniger imaginären Schiedsrichter in die Haare kriegt, um schließlich mit einer irren Grimasse gen Kamera zu Boden sinken.

"Contra-Band", der das sicher schon öfter gesehen hat, amüsiert sich sehr.
Vor allem aber staunen die Steppkes im Saal über diesen Typ, der in einem langen Mantel den Gang heruntergeschlappt kommt, Erbsen über die Schulter hinweg ins Publikum pfeffert und mit seiner Cordhose und dem Dutzendpulli so gar nicht nach einem vielgefragten und inzwischen auch hierzulande recht populären Künstler aussieht. Herman van Veen hat viele Lieder den Kindern gewidmet, und die scheinen ihn zu verstehen. Die beiden Jungs in der ersten Reihe sind ganz Ohr, als er eine jener phantasievollen Nonsensgeschichten zusammenfabuliert, wie sie sich sonst eigentlich nur Kinder ausdenken können. Sogar das Interesse an der Technik steht für Minuten zurück. Was allerhand heißen will, wenn man just hinter einer mächtigen Kamera sitzt.

Was sich vor den Kameras abgespielt hat, soll im September auf den Bildschirm kommen, zuerst im Dritten Programm: eine Dreiviertelstundensendung, produziert von Otto Leibing.

Wer Herman van Veen im Funkhaus Hannover erlebt hat, kann dann mal nachprüfen, ob die Konserve auch noch frisch schmeckt.



mck