DIE RHEINPFALZ LUDWIGSHAFENER RUNDSCHAU
Christian Gaier

Blödelei in Moll

2. Mai 1992

Liedermacher Herman van Veen im Rosengarten

Erbarmen, die Holländer kommen! Nein, ich meine nicht die auf unseren Autobahnen, sondern jene Unterhaltungskünstler, die uns die stumpfsinnigen Femstehstunden mit ihrem liebreizenden „Akchent“ zu verschönern trachten. Neben dem über alle Zweifel erhabenen Rudi Carrell gibt es da neuerdings eine wahre Invasion von Flachgeistern, wie dem Sucher des heißen Preises Harry Wijnvoord oder „Superfan“-Ermittlerin Marjike Amado und die mit riesigen Tränendrüsen ausgestattete Kupplerin Linda de Mol.



So weit, so schlecht. Leider versucht neuerdings nun auch der niederländische Liedermacher Herman van Veen, der am Mittwoch und Donnerstag im Mannheimer Rosengarten gastierte, sich dem Niveau seiner RTL-erprobten Landsleute anzupassen.

Da erzählte dieser einst für seine Sensibilität gerühmte Mann dann Witze und gab Kalauer zum Besten, für die sich sogar ein Karl Dali schämen würde. Und mit solchen verbalen Blähungen ist der gute Herman auf dem besten Wege, zum Mike Krüger der Liedermacher-Szene zu degenerieren. Freilich bewegte sich der vielseitige Künstler, der seine Programme als Mischung aus Songs, Sprechtexten, Pantomime und Clow-nerei anlegt, nicht immer in solch dümmlichen Gefilden, aber der allzu häufige Griff zum Kalauer deutet doch auf einen gravierenden Ver schleiß an Kreativem hin.

Auch musikalisch ist ihm in den letzten zehn Jahren nicht viel Neues eingefallen. Immer noch schwelgt der fraglos exzellente Pianist Erik van der Wurff melodramatisch in Moll, wenn er van Veens Liebeslieder begleitet, und leider hatte der Holländer, der so gerne für mehr Mitmenschlichkeit und Vernunft wirbt, diesmal auch den Saxophonisten Nard Reijnder auf der Bühne stehen, der sich in enervierender Schön-klang-Dudelei erging. Das schönste Lied des Abends konnte allerdings auch er nicht verschandeln, indes ist Leonhard Cohens Ballade „Suzanne“ ohnehin mit der Aura der Unverwüstlichkeit ausgestattet.

Am spannendsten war der Auftritt dann, wenn van Veen mit leisem Humor und ohne erhobenen Zeigefinger seine Eindrücke vom wiedervereinten Deutschland in griffige Bilder und Pointen verpackt („Grand Hotel Deutschland“) oder mit skurriler Phantasie bizarre Traumsequenzen oder eine Mafiosi-Himmelfahrt inszenierte. Wenn er dann allerdings , im nächsten Augenblick wieder wie Blö-del-Otto über die Bühne kaspert und wie ein Pausenclown Papierschnitzel zerstreut, erscheinen solche Lichtblicke eher wie unbeabsichtigte Ausrutscher.



Christian Gaier