Schwäbisches Tagblatt

Ein bißchen Frieden

Hermann van Veen füllte am Mittwoch die Listhalle

1 dez 1984

* REUTLINGEN (no). Aus der Mitte der rund 1400 Zuschauer, die am Mittwoch abend auf Einladung der Stadt, der Reutiinger Kreissparkasse und des Musfb Circus' gekommen sind, steigt Hermann van Veen auf die Bühne. Applaus. Die Violine in der Hand mimt er Akrobat Schöön, frei nach Charlie Rivel. Er streicht über die Saiten, bricht ab, die Melodie aber tönt weiter. Kurze Geste des Nichtverstehens. Dann tänzelt er nicht ungelenk zum linken Laub sprecherturm und horcht hinein. Der Ton ist natürlich schon weg - das kennt man aus dem Kinderprogramm - der schallt jetzt nämlich aus der anderen Box. Und so weiter und sofort. Van Veen küßt auch den riesigen Mondball. Die Technik macht's möglich, daß er prompt rot anläuft.


Dieses und die anderen Clownintermezzi sind noch ganz nett anzusehen, die Musik dazu: flotter Rock 'n' Roll oder ein beschwingter niederländischer Holzschuhtanz. Aber wehe van Veen meint's mal ernst, vergißt sfeine leichte Schulter und trägt seine Lieder vor. Dann ergießt sich ein ganzes Meer holländischer Tränen in den Zuschauerrraum. Selbst Wolgasöhipper würden da vor Neid verstummen. Eine Moll-Kadenz jagt die andere. Das Arrangement so bombastisch, als hielte sich van Veen für die Reinkarnation Richard Wagners - ohne Pauken und Trompeten freilich und ohne eine Spuri formsprengenden Anarchie.

Märtyrerhaft-christlich-klagend verwechselt van Veen gewaltlosen Widerstand mit triefendem Selbstmitleid. Als Ausländer hätte van! Veen die Chance aus der Distanz heraus, deutsche Sprachklischees j aufzuspüren, mit ihnen herumzuspielen und durch geschickte Montage zu entlarven. Aber der Holländer hat nur abgegriffene Hülsen parat - vom poetischen Format eines "Worts zum Sonntag". Nicht, daß man ihm politisches Engagement - beispielsweise für die Friedensbewegung - absprechen würde, aber angesichts seiner lamentierenden und freudlosen Gefühlsduseleien, neigt man doch eher dazu, den Frieden mit Nipole zu schließen, die für, ein bißchen desselben trällerte.