HALLESCHES TAGEBLATT
W.-D. Balzereit

Heute und morgen im Steintor: Hermann van Veen

Stiller Schreier zwischen Alfred Kwak & Grand Hotel Duitsland

1. Okt 1993

Unbemerkt fast, wird Halle heute und morgen einen der Musiker/Dichter unserer Zeit sehen. So man zu den Glücklichen gehörte, die eine Karte ergatterten. Und dies war nur Eingeweihten möglich, da kaum Werbung für das Gastspiel Hermann van Veens stattfand. Geheimniskrämerei oder Wissen um das „Nichtnötighahen“? Ausverkauft waren beide Abende in Windeseile.


Was Wunder, ist Hollands sinnvollster Kulturexport doch vielen jedwede Anstrengung wert, ihm bei seinen feinen, leisen Botschaften an den Lippen kleben zu dürfen. Dieses ganz genaue Hinhören wird auch heute und morgen im Steintor (beginn jeweils 20 Uhr) vonnöten sein, will man zwischen den stillen Schreien und derben Geschichten nichts verpassen.

Van Veen kommt mit den Titeln seiner 93er Produktion „Ja“ nach Halle, wird aber, wie so oft, in seinem „Verwacht“-Programm kaum um van Veen-Standards herumkommen. Freilich höchstens als Zugabe, denn van Veen gibt keine Konzerte, in denen er Lieder singt, van Veen gestaltet. Der 93er van Veen ist wieder ganz nah an Deutschland dran. Die für Holland so typische Haßliebe zum großen Nachbarn, das argwöhnische Beobachten unseres Tuns wird auch diesen Hermann treiben. Sein „Grand Hotel Deutschland“ ist nicht zufällig längster und einer der besten Titel seiner aktuellen Platte.

Doch auch bei dieser Schau auf die vereinigungsgewendeten Teutonen sind keine Parolen zu erwarten/befürchten. Leicht wird der Mann mit dem Billardkugel-Kopf es den Hallensern nicht machen. Unterhaltung wird nur über harte Kopfarbeit geboten.

Massive Mitschunkelorgien etc. sind beim Vater des niedlichen Alfred J. Kwak nicht zu erwarten. Daß es trotzdem aussichtslos ist, sich um zurück-gegebepe Karten zu bemühen, spricht für die Resistenz vieler Hallenser gegen die übl(ich)p vereinte Volks-Kulturszene.



W.-D. Balzereit