Rheinische Post
Birgit Wanninger

Die Suche nach dem Paradies

1 okt 1985

Ein Sänger, ein Musiker, ein Poet, ein Moralist, ein Melancholiker, ein Clown. All das ist Hermann van Veen und noch viel mehr. Wer den 40jährigen holländischen Künstler von seinen zahlreichen Platten kennt, weiß viel zu wenig über ihn. Hermann van Veen sollte man live erleben. Vergangene Woche begann die große Deutschlandtournee des Utrech-ters, ab heute gastiert er in der Düsseldorfer Tonhalle (vom 1. bis 5. und vom 8. bis 11. Oktober).


Zwar hat Hermann van Veen feste Programmpunkte, dennoch ist jedes Konzert anders; abhängig von den täglichen Gegebenheiten, von politischen Situationen, von der Stadt, in der er auftritt, und von seinem Publikum. „Viele wollen sehen, was schon einmal war”, erzählt der Holländer, „aber das gibt es bei uns nicht! Das kann ich nicht, und das will ich auch nicht.”

„Wenn ich heute höre, daß Reagan den Friedensnobelpreis bekommen hat, muß ich mich dazu äußern”, argumentiert er. Seine Philosophie lautet: „Was man denkt, muß man auch sagen.” Das redet der Holländer nicht einfach so daher, van Veen handelt nach diesem Prinzip. In der Rolle des Clowns habe er sogar Möglichkeit alles ad absurdum zu führen, freut er sich. Und wenn dann die Leute über ihn lachen, ist das für ihn der größte Erfolg. Lachen motiviert ihn.
„Lachen ist befreiend und gibt positive Energie. Ich will, das die Leute lachen.” Aber als Clown sei er auch ein Melancholiker und immer auf der Suche nach dem verloren Paradies. Er analysiert ständig. Denkt laut darüber nach, warum etwas passiert ist. Seine Texte, seine Bücher, seine Musik, seine Show, sie basieren auf persönlicher Erfahrung; denn Hermann van Veen glaubt nicht an Phantasie.

Das Allroundtalent, das sich nur schwer einordnen läßt, bezeichnet sich schlicht als „Unterhalter”. Er möchte dem Publikum einen schönen Abend bieten, dies sei sein Beruf. Und sein Metier versteht der 40jährige. Hermann van Veen ist ein Perfektionist. Selbstkritisch stellt er fest, seine neue Nummer, „The Tennisplayer”, sei noch nicht ausgereift. „Vielleicht ist sie in Düsseldorf schon besser”, hofft er.
Aber ich glaube, ich muß noch zwei, drei Jahre an diesem Showteil arbeiten, bis ich zeigen kann, was ich wirklich meine”, erzählt er nach seinem Auftritt in der Kieler Ostseehalle. Dabei greift er mit den Händen in die Luft, als wolle er seiner Gesprächspartnerin diese Vorstellungen aus den Nichts holen, dem Nichts, das in in seinem Kopf längst zur Idee geworden ist.

Aber „The Tennisplayer” ist nur ein kleiner Teil seines umfangreichen Repertoires. Fast dreieinhalb Stunden begeisterte van Veen das Kieler Publikum, brachte die Besucher zum Lachen und zum Nachdenken. Immer wieder ließ er sich zu weiteren Zugaben bewegen. Die Saalbeleuchtung blendete schon, eine sterile kalte Atmosphäre herrschte in der Ostsseehalle, da betrat der Holländer erneut die Bühne und strahlte viel Wärme und Menschlichkeit aus.
Van Veen weiß, was er seinem Publikum schuldig ist. Schweißgebadet verabschiedete er sich, ging unter die Dusche, aber das Klatschen und die Zugaberufe wollten kein Ende nehmen. „Hermann, Du erkältest Dich”, mahnte ihn ein Mitglied der Crew, doch Hermann erwiderte einfach: „Ich muß noch einmal nach draußen.”

Van Veen besitzt eben etwas Einzigartiges, das er vor allem in seinen Live-Auftritten unter Beweis stellen kann.



Birgit Wanninger