Westdeutsche Allgemeine

Mit sanfter Stimme:

Van Veen besingt alltägliche Schwächen

1 mrz 1983

(ans) Er kritisiert mit sanfter Stimme gesellschafts-politische Verhältnisse, schmeichelt sich mit zärtlich-romantischen Liebesliedern in die Gunst des Publikums, um gleich darauf anmutig-komisch über die Bühne zu tänzeln ohne dabei in die Tiefen billigen Klamauks abzugleiten. Und ganz "nebenbei" spielt er Geige, Klavier und Mundharmonika: Hermann van Veen, Liedermacher, Lyriker, Pantomime und Schauspieler in einer Person.


Das Lieblingsthema des holländischen Entertainers ist der Mensch mit allen seinen Vorzügen und Schwächen. Auf zahlreichen Schallplatten hat er ihn besungen, den stolzen, unbeugsamen, den labilen oderspießbürgerlichen Zeitgenossen. Nie verfällt er in Zynismus, wenn er alltägliche Situationen unter die Lupe nimmt. Auf der Bühne erlebt man einen routinierten Herman van Veen, der sein Lieblingsthema "Mensch" in kontrastreichen Variationen interpretiert. In blitzartigem Wechsel ist er Clown, Philosoph, er albert, robbt über die Bühne und steht Sekunden später wieder ernst im Scheinwerferkegel, um seine Lieder vorzutragen.

Von der Vielseitigkeit des Herman van Veen, dem die Musik-Lehrerin vor Jahren eine Wagner-Karriere vorausgesagt hatte, konnten sich Konzertbesucher am Sonntag und Montag im Festspielhaus überzeugen.

Die vier einzigen Auftritte in der Bundesrepublik bestreitet der niederländische Allround- Künstler in der Vestmetropole. Während der einstündigen Bühnenshow, die van Veen mit bewährten Begleitmusikern - Erik van der Wurff (Piano), Nard Reijnders (Saxophon) und Cees van der Laarse (Bassgitarre) - bestreitet, surren leise die Filmkameras des ZDF. Für die "Herman van Veen Personality-Show" werden alle vier Konzerte im Festspielhaus aufgezeichnet.


ZDF mit Kameras dabei


Das Gastspiel des Holländers beinhaltet alles, was Hermann van Veen ausmacht: alte und neue Songs mit ausdrucksstarken Texten, Pantomimik, Plauderei mit den Zuhörern, Gags und hinter allem, ein Bekenntnis zum Menschen. Van Veens Lieder leben von Geschichten, wie sie der Alltag schreibt. Er besingt, ohne dabei lehrmeisterhaft zu mahnen, Schwächen, die viele mit sich herumtragen, erzählt vom ungeliebten "Aussteiger", vom Oportunisten der sein Jäckchen immer richtig aufzuhängen weiß, er beschreibt in seinen Liedern Beziehungen ("Ich lieb' dich noch").

Über sich selbst sagt der 38jährige, der mit seinen Liedern nicht in die Landschaft liedermachender Besserwisser paßt: "Glaube aufrichtig daran, daß die Welt als Gegebenheit vollkommen und gut ist, bin ein glücklicher Mann, habe Arbeit und liebe das Singen über alle Maßen". Vielleicht macht diese Haltungsei ne Ausstrahlung aus.

Für sein Recklinghäuser Publikum hatte der Künstler ein spezielles Lied in petto: "Recklinghausen", trällerte er, "das liegt neben Gelsenkirchen und fast 40 Kilometer von Düsseldorf entfernt..." Seine Ortskenntnisse wurden mit stürmischem Beifall honoriert. Als Musiker, Kameraleute und van Veen allerdings nach einer Stunde "einpacken" wollten, ernteten sie Protest. "Herman", riefen einige, "macht weiter". Und: "Für mein Eintrittsgeld will ich mehr von Dir hören."

Van veen ließ sich nicht lumpen, sang, von der letzten komischen Einlage noch immer in Bademantel gehüllt, etliches aus seinem neusten Lieder- Fundus, das so neu war, daß er es vom Blatt ablesen mußte. Aus einer Stunde wurden fast zwei.
Wer Herman van Veen in diesem Jahr noch einmal live erleben will, kann dies noch heute und morgen jeweils um 20 Uhr im Festspielhaus.