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Axel Frey

Ein Clown aus Holland

00 nov 1977

Einst war es der Holländer Lou van Burg, der im deutschen Fernsehen zeigte, was Unterhaltung ist. Heute sieht man sich vergebens um, wer an Rudi Carreil heranreichen möchte. Doch ausgerechnet Hollands Unterhaltungskünstler Nr. 1, Herman van Veen, hat es bisher schwer gehabt, sich auf deutschen Bildschirmen durchzusetzen.


Das wird sich wohl auch vorerst nicht so schnell ändern, obwohl zur Zeit im ARD-Programm seine sechsteilige Familienserie "Die seltsamen Abenteuer des Herman van Veen" läuft (jeweils am Sonntag um 14.45 Uhr). Seine Popularität bei Kindern dürfte allerdings stark wachsen, denn für sie wurde die aufwendige Serie vor allem produziert. Damit auch die erwachsenen Deutschen Gelegenheit haben, seine Talente kennenzulernen und zu schätzen, reist er zur Zeit auf einer kleinen Tournee durch die Bundesrepublik.

Schon vor drei Jahren hatte die Wochenzeitung "Die Zeit" euphorisch über ihn geschrieben: "Niederländer ist er, in Utrecht examiniert in Geige und Gesang und somit gegen einen dummen Vorwurf gefeit, er hätte nichts gelernt. Aus Körperlänge und Haltung ergibt sich zwanglos die Bezeichnung langer Lulatsch. Sein blondes, leicht gelocktes Haar fällt mit schütterem Wurf bis fast auf die Schultern. Die Augen sind, was man nicht sieht, aber ahnt, blau. Das sind die Personalien. Was ist er? Er ist alles. Er ist ein Unterhalter, wie ihn als so komplexe Figur sonst nur ein Lexikon zu montieren wagt: Er ist Sänger und Geiger, er hat etwas von einem Schauspieler und einem sprunggewandten Tänzer, er ist Pantomime, Parodist, Imitator, Geschichtenerzähler, kurzum: einSpaßmacherund ein Erzieher, ein Clown, wie die Zeit ihn braucht."

Wie das deutsche Fernsehen ihn braucht? Man wird sehen. Immerhin war man beim für die Serie verantwortlichen Bayerischen Rundfunk der Ansicht, man dürfe eine solche Begabung nicht übergehen. Um ihm "eine möglichst große Breitenwirkung zu verschaffen und dabei speziell Kinder anzusprechen", wurde mit für eine Kindersendung außergewöhnlich großem Aufwand diese Serie nach eigenen Ideen van Veens entwickelt.
Von den "realistisch unrealistisch surrealistischen Geschichten" der Serie glaubt Herman van Veen jedoch, daß sie nicht nur die Kinder, sondern auch alle Erwachsenen interessieren werden, die "Sinn für das Hintersinnige" haben. "Wir machen nämlich ein höchst ungewöhnliches Experiment", erzählt er. "Wir zeigen eine Welt, wie Kinder sie malen. Es gibt hier nichts, was es nicht gibt - von fliegenden Häusern bis Autos, die unter Wasser fahren können."

Allen sechs Geschichten ist gemeinsam der Ausgangspunkt: Herman wohnt mit seiner Frau und mit seinen acht Freunden in einer Windmühle, die mitten in einer Großstadt zwischen Hochhäusern steht. Die Mühle hat außen einen Ausguck mit Fernrohr und innen eine Wand mit vielen Bildern, durch die sich Hermans Phantasie jeweils auf die unglaublichsten Abenteuer begibt.

Herman albeit mit Hunderten von arabischen Kindern in der Wüste herum, tritt in einen musikalischen Wettstreit mit einem Agenten und einer furchterregenden Rakete, kämpft mit einem Riesen-Ritter um ein schönes Burgfräulein und besteht den längsten sportlichen Zweikampf des Jahrhunderts.
Bei Herman van Veen, so hat es einmal einer seiner Bewundererformuliert, gibt es nichts, "was nicht zum Spielball seiner Phantasie wird. Mit großer Freude am körperlichen Ausdruck ausgestattet, fähig, minutenlang zu flüstern oder einfach eine Pause stehen zu lassen, verteilt er bunte Bonbons in sein Publikum, Bonbons mitjbitteren Mandeln oder einem Tropfen Zitrone darin." Der heute 33jährige Herman van Veen hat in seinem Paß einen Beruf stehen, der überrascht: Direktor. Seit 1968 leitet er "Harle kijn - Holland", eine kleine "Kulturfabrik", die erst nur aus ihm und seinem Freund bestand, inzwischen jedoch auf eine Gruppe von 40 bis 50 Leuten angewachsen ist.

"Wir wollten unsere eigene Form von Theater machen", erzählt er, "aber wenn man ein künstlerisches Abenteuer anfängt, kostet das Geld. GmbH bietet uns den Schutz das Klavier nicht weggeholt werden kann." Inzwischen steh Firma auf mehreren Beinen systematisch werden junge Musiker und Schauspieler gefödert und Hermans eigene Show vorbereitet. "Alle Einnahmen werden an die aufgeteilt, die was gemacht haben", sagt Herman van Veen. Neben der egenen Konzert- und Tourneea steht den "Harlekijns" ein Buch- und Musikverlag Schallplattenlabel und eine Monatsschrift zur Verfügung. Veen, der am liebsten mit einem Team arbeitet, will auch finanziell keine Starrolle spielen. Angestellter bezieht er ein rektorengehalt, mehr hat er nicht genehmigt.
An seiner Kinderserie hat ihm am meisten Spaß gemacht, Ideen auszuarbeiten und die Buchher zu schreiben. "Mit einer Nasenlänge dahinter" sei dann Musikant in ihm zum Zuge gekommen.
Dann erst die Arbeit vor der Kamera: "Die kostet wahnsinnig viel Konzentration."



Axel Frey