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HERMAN VAN VEEN: EIN MONOLOG HINTER DER BÜHNE

maart 1979

Der Pantomime, der auchLieder singt und Filme dreht, ist unterwegs in Deutschland. Als klassischer Entertainer-eine Spezies, die sonst nur in Amerika vorkommt - tingelt Herman van Veen vom 4. Oktober bis 20. November mit einer abendfüllenden Ein- Mann-Show durch die Bundesrepublik. Das Konzeptdesin Deutsch dichtenden Holländers:


Bitte schön, man kann mich "elitär" schimpfen, aber übers Theatermachen habe ich so meine eigenen Ansichten. Theater - das hat nichts mit Wissensvermittlung zu tun oder gar mit politischer Bildung. Auf der Bühne soll vielmehr vom Künstler eine ganz bestimmte Atmosphäre geschaffen werden, die vom Publikum erfühlt und nachvollzogen werden kann. Worte, Musik und Bewegungen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen lediglich dazu, die Stimmung hervorzurufen, die einen solchen Abend wertvoll macht.

Aus diesem Grund ist ein Publikum niemals von sich aus gut oder schlecht. Wenn ein Künstler seinen Zuschauern den Vorwurf macht, sie seien "kalt" oder "zu wenig hingabefähig", dann ist er halt kein guter Künstler. Berlin beispielsweise soll ein schlechtes Publikum haben. Das ist eine doofe und zudem arrogante Unterstellung. Gewiß, man kann hin und wieder davon sprechen, daß die Leute nicht konzentriert genug sind. Vielleicht liegt das an der miserablen Akustik, nicht an den Leuten. Denn wenn sie aus eigenem Antrieb ins Theater gehen und dafür noch gutes Geld bezahlen, dann werden die Leute auch aufmerksam sein - vorausgesetzt, der Mann auf der Bühne ist gut.

Meinetwegen dürfen Künstler ruhig gegen irgendwelche Dinge protestieren. Das Problem ist nur, daß diese Protest- haltung sehr schnell zur bloßen Manier wird und der ständige Kritiker sich in j eine Ecke rangiert, aus der er nicht mehr ! herauskommt. Er opfert sich sozusagen selbst.
Ich für meine Person glaube we- der an Philosophie noch an eine politi- sehe oder religiöse Ausrichtung, für die ich Partei ergreifen würde. Das einzige, wovon man etwas ganz sicher weiß, ist man selbst.

Hier ist man Spezialist, nirgendwo sonst. Die Medien honorieren diese Einstellung freilich nicht und sind schnell bei der Hand, wenn es darum geht, einen Künstlerzu etikettieren. Sie suchen sich das aus, was sie finden wollen, und sie finden es dann auch. Ich pflege immer so zu argumentieren wie das Monster in meinem neuesten Film Auseinander. Da erzählt eine. Frau, sie habe geträumt, auf einem schmalen Grat überm Abgrund zu stehen und plötzlich von einem schrecklichen Tier bedroht zu werden. "Hilfe, Hilfe, was soll ich nur tun?"
schrie die Erschreckte. Worauf das Monstrum entgegnet: "Das mußt du nicht mich fragen, das ist dein Traum."

Mit anderen Worten: Was die Damen und Herren von der Presse in mich hineininterpretieren, ist deren Bier, nicht meins.

Das Dilemma: Wenn ich nicht von Politik singe, dann bin ich für die linken und rechten Intellektuellen eine uninteressante Figur. Aber wenn sie dann Kinder kriegen und in große Kulleraugen blicken dürfen, sagen sie, der van Veen ist doch nicht so ein Depp, er spricht von durchaus wichtigen Dingen. Oder: Singe ich über die Liebe, sind alle verliebten Leute im Saal einverstanden. Doch derjenige, der Kummer hat, weil ihm die Freundin weggelaufen ist, nennt mich aus seiner Verfassung heraus einen "faden, spätromantischen Philosophen".

Ich kenne mein Metier, ich weiß, was man sagen muß oder sagen sollte, um etwas zu erreichen. Meine Stücke ändern sich, aber nicht mein Programm, das da heißt: Nicht dauernd die persönliche miese Vergangenheit mitschleppen, den Blick geradeaus nach vorn richten und nicht verzagen, politischen Verführern eine Abfuhr erteilen, den Streit unserer Generation zwischen Intellekt und Gefühl bestehen.
Wobei ich mich mehr dem Gefühl verpflichtet sehe.