Kolner Kulturlleben
BARBRO SCHUCHARDT


Ein Walzer mit dem Tod

Herman van Veen triumphierte an zwei Abenden in der Sporthalle

januari 1989

Schwarzgekleidete Männer tragen einen großen Kasten auf die Bühne, klappen den Deckel auf. Eine Knochenhand tastet über den Rand, dann richtet sich Freund Hein zu voller Größe auf. Stelzt auf den Pierrot im schwarzweißen Gewand zu, umfaßt ihn und dreht sich mit ihm in einem melancholischen Walzer.


Bei jedem anderen wäre ein solcher Auftritt in den Kitsch abgerutscht Nicht so bei Herman van Veen. Der „Danse macabre“ von Harlekin und Tod ist eine Schlüsselszene seines neuen Programms „Bis hierher und weiter“. Am Freitag und Samstag feierte er damit Triumphe in der fast ausverkauften Sporthalle.

Die Beziehung des 43jährigen .Holländers zum Tod ist sehr ’ mediterran. Der Clown tanzt mit dem Sensenmann, um die Angst su besiegen. Der Flirt zwischen Eros und Thanatos macht das Unausweichliche begreifbarer — ganz anders als bei uns, wo das Thema ängstlich grei ausgegrenzt wird.

Daß es Ihm mit seinerschwierigen Gratwanderung zwischen Kammerspiel und Apokalypse gelingt, die Zuhörer von den Stühlen zu reißen, ist erstaunlich und erfreulich.

Herman van Veen, der Individualist mit der klassischen Ausbildung, vierfacher Familienvater und Unicef-Vertreter seine« lande«, ist «irrwirkliches Phänomen. Vorjahren noch stand ’ er als schwärze, einsame Figur im Lichtkegel auf der Bühne, •in Einaeflctmpfer, der im Zeitalter der Popmusik das Chan-ßon künstlich beatmete, bis es Wieder kräftig den Brustkorb blähte. Ein geistiger Neffe von Edith Piaf und Jacques Brel, der Im Pariser Olympia und am Broadway gefeiert wird. Ein Mann zudem, der niemals stehe nb leibt, der sich bei Jeder “Tournee wieder erstaunlich gehäutet hat.

.Bis hierher und weiter" ist eine fulminante Buhnenshow eine Mischung aus Variete und Kabarett aus Klassik und Rock.
Theater und Pantomime, Clownerie und Artistik. Seine drei hervorragenden Musiker Nard Reijnders, Cees van der Laarse und vor allem sein Jugendfreund, der Pianist und Komponist Erik van der Wurff, sind ihm Begleiter und Partner sugleich.

Die minuziös austarierte Show wirkt in jeder Minute wie Improvisiert; wie beiläufig werden die Lieder (fast alle von van Veen, deutsche Texte übersetzt von Thomas Woetkewitsch, einige stammen von Heinz Rudolf Kunze) in skurrile Plaudereien und Gedankensprünge eingeetreut.

Br jongliert mit Bällen, die man kühn für die Weltkugel halten kann, geht herb mit Amerika ins Gericht, besingt die Liebe, die Kindheit, die eigene Dunahautigkeit. Eine One-Man-Apokalypse hat man ihm treffend genannt. Aber innerhin eine die nicht zerstort , sondern trostet.



BBARBRO SCHUCHARDT