Thüringische Landeszeitung
Frank Quilitzsch

Koffer voller Kontraste

Herman van Veen sorgte in Erfurt für Stimmungswechsel

16 mei 1998

Erfurt, (tlz) Der Wind, das "holländische Nationalprodukt", hatte den Harlekijn aus dem flachen Land zwischen die thüringischen Hügel geweht, und kaum stand er in Erfurt auf der Bühne, streifte er die Schuhe ab, krempelte die Hosenbeine und Hemdsärmel hoch und schrammelte die Geige. Ein flottes Instrumental zum Auftakt, das Ensemble fiel beherzt ein und heizte an - Herman van "de Folk" wagte zum Saxophon ein Tänzchen. Sodann besann er sich auf seine Späßchen, stakte in Damenschuhen auf und ab und philosophierte über das Wachstum des Busens: "Ob rund, ob spitz, ob groß, ob klein, / das wird eine Überraschung sein ..."


Uns hätte nicht gewundert, wenn im nächsten Moment auf offener Bühne die Wehen eingesetzt hätten, denn für Überraschungen ist Herman van Veen, der singende Holländer, auch mit 53 noch gut. Nieder kam er dann aber mit alten und neuen Liedern; über drei Stunden hielt er am Donnerstagabend die Thüringer Fans in der Neuen Messehalle in Erfurt bei Laune.
Sein Programm bot die bewährte Mischung aus kunstvollem Chanson, geistvollem Entertainment und deftigem Klamauk. Vielleicht ist der Charme dieses Mannes mit den Jahren rustikaler geworden;
Herman geht auch mal schulterfrei und bis an die Gürtellinie, erschlägt zwischen zwei Liedern eine Mücke mit einer Rose und zupft ihr die Zappelbeine einzeln aus: "Ich lieb dich, ich lieb dich nicht..." - "Ich lieb dich immer noch", schafft er mühelos den Anschluß. Ob "Anne", "Rosa", "Liselore" oder "Fatima Morgana", es ist immer wieder eine Augen- und Ohrenweide, wie der Sänger die Übergänge zu seinen Evergreens meistert.

Van Veen ist ein König der Stimmungen und Kontraste; eben noch voll zärtlichem Gefühl zu den Kindern und Alten, läßt er sich schwer auf den Babyberg der Dritten Welt plumsen, gibt dem bayerischen Adoptivvater eins auf die Mütze, und ist weiß Gott nicht zimperlich, am wenig sten gegen sich selbst.
Alles, konstatiert er, wächst: die Armut, der Reichtum, die Arbeitslosigkeit, die Klongefahr. "Bist du du oder bist du dein Clown?" Herman ist beides und, wenn er die Wahl hat, lieber Champignon als Champion - das fordert seinem Publikum einiges ab. Mit Schellenhut und Regenschirm balanciert er zwischen Heitef- keit und Ernst, Poesie und Plauderei, Parodie und Peinlichkeit und erreicht auf allerlei Umwegen sein Ziel: die Leute für die Zwischentöne des Lebens zu sensibilisieren.
Die danken's dem Dirigenten mit fein dosiertem Applaus.

Alles, nahezu alles, hatte der faszinierende Holländer für Erfurt in seinem Koffer. Nur keinen Käse.



Frank Quilitzsch