Emdener Zeitung
JENS VOITEL
Der leise Clown

Herman van Veen gastierte am Donnerstagabend vor rund 1200 Zuschauern in der Emder Nordseehalle.
31 okt 2009

Emden. "Man ist nie zu alt, um einen idiotischen Hut zu tragen." Das ist ein schöner Satz von einem 64-Jährigen. Und wenn er von Herman van Veen kommt, kann aus diesem doch recht einfachen Satz so etwas wie eine umfassende Lebensphilosophie werden. Wie gesagt: Es ist ein schöner Satz des niederländischen Alleskönners. Doch bevor die Nachdenklichkeit allzu schwer auf den Schultern des Zuhörers lastet, setzt er ihn einfach auf, diesen idiotischen Hut. In diesem Fall ein großer schwarzer Zylinder, an dem an zwei Meter langen Fäden zwölf schwarze und weiße Luftballons in Richtung Decke schweben. Das ist Herman van Veen. Er sagt Sätze, die ziemlich gewichtig sein können, aber in der Regel ganz leicht daherkommen. In seinen Liedern, in seinen Texten. Herman van Veen ist ein Philo-soph. Und ein Clown. Ein leiser Clown. Und das hat nichts mit seinem Alter zu tun.


1200 Menschen haben sich an diesem Donnerstagabend in die Emder Nordseehalle aufgemacht, um den Entertainer und seine ausgezeichneten Musiker zu erleben. Das sind viele, aber dann doch nicht ganz so viele, wie man vermutet hätte. Die Halle ist nicht ganz ausverkauft, anders als einen Tag später in Oldenburg und heute in Wilhelmshaven. Dem Abend in Emden ist dies allerdings kaum abträglich. 1200 zufriedene Zuschauer sind nicht weniger toll als 2000 oder mehr. Und das Emder Pu-blikum ist sichtlich und hörbar aufs höchste zufrieden. Hermann van Veen - in weißem, weiten Hemd, in schwarzer Hose und weißen Schuhen - hat ein vergleichsweise ruhiges Programm mitgebracht, vor allem im ersten Teil seines fast zweistündigen Auftritts. Die Mitsing-Lieder vergangener Jahre sind nicht dabei. "Im Augenblick" heißt das Programm, so wie die neue CD, die letzte der bislang insgesamt fast 150 seiner 44-jährigen Bühnenkarriere. Und es sind schöne Augenblicke dabei: traurige, fröhliche, ernste, nicht so ernste, lustige, laute, leise, leichte, schwere, witzige. Ohne Spektakel, mit einer sehr angenehmen Gelassenheit.

Der Sänger, Geiger, Gitarrist, Klavierspieler, Panflötenimitator und Pfeifer ist von der ersten Minute an bei seinem Publikum - ohne sich anzubiedern, er bleibt beim Sie. Es sind vor allem die kleinen Gesten, die das große Ganze ausmachen. Das ist bei den Liedern der neuen CD so, das ist aber auch beim Schauspiel auf der Bühne so. Eine Geige aus einem Hintertürchen des Kontrabass hervorzuholen, würde so manchem einfältigen Co-median über den halben Abend retten. Bei Herman van Veen ist es ein - wenn auch aufwendiger - zärtlicher Schmunzler. Mehr muss nicht.


Abenteuer Mensch


Vor allem aber sind es seine mit dem so typisch niederländischen Genuschel vorgetragenen Lieder, die die Menschen bewegen. Begleitet wird er von seinem kongenialen und langjährigen Partner am Klavier, Erik van der Wurff, von der wunderbaren Gitarristin Edith Leerkes, die mit einem fantas-tischen Solo begeistert, sowie von den beiden hervorragenden Violinisten Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger, die gemeinsam locker ein ganzes Orchester ersetzen können. Kaum jemand wird sich den so eigenen Kinderliedern van Veens entziehen können. Kinderlieder, die mehr sind als für ein Kind geschrieben. Mehr über das Kind - selbst wenn es noch gar nicht geboren ist. Das Leben, der Tod, Freundschaft, Liebe - Herman van Veen hat längst sein Thema gefunden. Auch auf der neuen CD dreht sich alles um den Mensch, um seine kleinen und größeren Abenteuer, um sein Lachen und sein Weinen.

Aber wer schon die Melancholie auf sich zu rasen sieht, der darf erleichtert über Textzeilen lachen wie "Die Tauben scheißen Rembrandtweiß", er darf lachen über Witze, in dem sich ein Westberliner Hund und ein Ostberliner Hund gegenseitig anpinkeln, weil zu ihrer eigenen Überraschung die Mauer zwischen ihnen verschwunden ist. Er darf aber auch schlucken, wenn ein Großvater seinem Enkel die Unverzichtbarkeit der Atomkraft erklärt und ihm dabei über beide Köpfe streichelt. Herman van Veen ist auch politisch. Und der Zuhörer darf staunen über Zeilen wie "Van Gogh, der die Sonne aus der Tube quetschte". Herman van Veen ist auch ein Literat.

Im zweiten Teil des Abends ist er dann etwas mehr der musikalische Clown, der scheinbar ungelenke Tänzer, der Charmeur. Aber alles in einem sehr angemessenen Rahmen. Nichts, was den Eindruck vom ausgezeichneten Musiker und Texter überdecken könnte. Leichtigkeit wäre hier vielleicht das richtige Wort.
"Wenn ich einem mal begegnen möchte, dann ihm", sagt eine begeisterte ältere Dame in der Pause mehr zu sich als zu ihrer Begleitung. "Er muss auch gar nicht viel reden mit mir", fügt sie hinzu, als würde das die Wahrscheinlichkeit erhöhen.

Manchmal braucht Herman van Veen wirklich nicht viele Worte. Dann reicht auch nur ein idiotischer Hut. Er ist eben ein leiser Clown.



Von EZ-Redakteur JENS VOITEL ©8900 412