Sabine Müller
Munsterische Zeitung.de
Der Clown mit der Rosennase in Münster 30 november 2009

MÜNSTER Fast ganz zum Schluss, als die ersten Verbeugungen kommen, klebt sich Herman van Veen mit Spucke ein rotes Rosenblatt auf die Nase. Es ist wie eine Unterschrift. Oder ein P.S. – falls es irgendjemand noch nicht gemerkt haben sollte: Hier verabschiedet sich ein Clown.

Doch so schnell lassen ihn die gut 2000 Zuschauer in der Halle Münsterland nicht von der Bühne. Immer und immer wieder klatschen sie sich den Niederländer herbei. Aufgestanden sind sie, kreischen, lachen, weinen. Sie wollen mehr von diesem Mann, der sich lächerliche Hüte aufsetzt, der zaubert, ein urkomisches Ballett tanzt, sich rittlings auf einen Kontrabass schwingt und auf ihm herumtrommelt. Sie wollen hören, wie er ganz nebenbei Lebensweisheiten von einem Zettel abliest, ein betörendes Ave Maria anstimmt, mit weichem, zärtlichem Timbre in mehreren Sprachen den Satz aller Sätze singt: Ich liebe dich („Anders anders“). Bei Liebesliedern ist Herman van Veen ganz groß.

Es ist fast Viertel nach elf, als die Zuschauer ihn dann doch ziehen lassen. Das Saallicht ist schon lange an. Doch sie haben mit ihm noch einmal das Lied über die Freundschaft angestimmt. Ein Freundschafts-Chor, der es wert gewesen wäre, aufgezeichnet zu werden. Ein harmonischer Wohlklang, der van Veen anerkennend mit dem Kopf nicken lässt.


Die Regenmacher


Auch beim Regenmachen erweist sich das Publikum als fachkundig. Wenn van Veen das Wort „Regen“ erwähnt, schnipsen und reiben die Zuschauer ihre Hände (das haben sie alle bis zum Schluss drauf): Es ist, als ginge ein Dschungelschauer nieder. Ein fantastischer Effekt. Der perfekt zum Song „Amsterdam“ passt, wo Tauben Rembrandt weiß scheißen. Und es regnet, regnet, regnet. „Und wenn es nicht regnet, dann fängt es an zu regnen.“


Im Augenblick


„Amsterdam“ ist der Opener der aktuellen Platte „Im Augenblick“, die auch der Tour 2009 den Namen gibt. Im Augenblick – das ist bei van Veen ein Rückblick aufs bisherige Leben, ein Einblick in sein Hier und Jetzt, ein Ausblick auf das, was noch kommen mag. In seiner unvergleichlichen Mischung aus Sinn und Unsinn. Er schafft es, in einer Sekunde ganz ernst die rechtspopulistische Gefahr anzumahnen (gerade wurde er noch anlässlich seiner Mauerfall-Rede massiv bedroht), in der anderen erfreut er sich wie ein kleines Kind an seinem niederprasselnden Pingpongball-Regen.


Die musikalischen Begleiter


Der Liedermacher und Harlekin ist aber nicht nur Alleinunterhalter. Er ist Teamplayer. Seit Jahrzehnten hat er den unverwüstlichen Pianospieler Erik van der Wurff an seiner Seite, dazu die reizenden Geigerinnen Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger und die fantastische Edith Leerkes an der Gitarre: Sie sind die empfindsamen musikalischen Begleiter eines musikalisch empfindsamen Menschen.


Die Unterhose von Herman van Veen


Herman van Veen erzählt viel über die Familie. Verkleidet in alte Witze und uralte Kalauer. Doch selbst abgedroschene Pointen rettet er noch mit seinem Charme. Wenn er Anekdoten aus seinem Leben als Großvater ausplaudert und dabei seine Unterhose bis zu den Achseln zieht, und man das alles albern und schrecklich clownesk findet, kann man trotzdem nicht umhin, ihn bezaubernd zu finden.