Albert Eikenaar
STERN
Was macht eigentlich...
Herman van Veen?
27 aug 2009

Der Niederländer- Komponist, Violinist, Sänger und Weltverbesserer - schaffte 1973 in Deutschland seinen Durchbruch mit dem Album „Ich hab ein zärtliches Gefühl"

Fünfundvierzig Jahre Showbusiness. Tausende Vorstellungen, 3000 Lieder, 150 CDs, 60 Bücher. Haben Sie nicht langsam genug?
Mich treibt immer noch die Neugierde mit der Hoffnung, dass es immer neue Fragen gibt, die ich dann zu beantworten versuche.

Sie bekamen schon mit acht Geigen- und Gesangsunterricht. War das nicht eine ziemlich elitäre Wahl für ein Arbeiterkind?

Mein Vater hätte gern studiert. Wegen des Krieges aber ging das nicht. Die Chance, sich geistig zu entfalten, wurde ihm genommen. Darunter hat er sehr gelitten. Er gab dann seinen Kindern, was er selbst nicht bekommen hatte: eine gute Ausbildung.

Dann war er vermutlich nicht besonders glücklich, dass Sie ausgerechnet in Deutschland Karriere machten?
Als ich das erste Mal ins Nachbarland ging, fragte ich ihn: „Was hältst du davon, Papa?" Er reagierte weise: „Herman", sagte er. „Es gibt Faschisten, und es gibt Deutsche."

Sie sind Fiedler, Sänger, Textdichter, Schauspieler, Dichter, Entertainer, Unternehmer. Was davon am liebsten?
Singen finde ich am schönsten. Ich empfinde es als etwas Friedliches.

Wie würden Sie Ihre Fans beschreiben? Haben sie etwas Gemeinsames? Es sind Zugreisende. Wenn ich auf dem Bahnhof stehe, sehe ich mein Publikum. Aus einer Untersuchung geht hervor, dass 80 Pro- zent der Besucher unserer Vorstellungen oder Konzerte Lehrer sind oder einen medizinischen Beruf ausüben. Sozial aktive Leute, gebildet. Ein bisschen „grün angehaucht". Zugreisende also.

Manchmal treten Sie monatelang mit einem Showprogramm auf...
Sehen Sie, das ist wie die Spur, die die Tiere im Wald hinterlassen. Am nächsten Tag nehmen sie denselben Weg. Auch ich gehe eine feste Route auf der Bühne und habe meine eigenen Rituale. Mein Handwerkszeug ist die Geige. Das Instrument gibt mir Halt.

Wie gehen Sie da mit aktuellen Bezügen um? Was heute spannend ist, ist morgen doch Schnee von gestern?
Man improvisiert natürlich auch. Das wissen die Zuschauer. Sie lieben frisches Theater genauso wie frisches Brot.

Sie gastieren oft in Deutschland, aber die Niederlande bleiben Ihre Heimat. Mit den politischen Entwicklungen dort sind Sie nicht gerade einverstanden.
Es geschehen merkwürdige Dinge. Oppositionelle Politiker zum Beispiel wollen Königin Beatrix entmachten. Und das Volk rührt sich kaum. Die Regierung schweigt. Wenn sich keiner wehrt, wird die Königin eines Tages zur Symbolfigur degradiert. Gleichzeitig können in der freien Demokratie Niederlande Nationalisten Hass gegen Fremde predigen und somit das Denken vergiften.

Hat die heutige weltweite Krise Folgen für den Künstler van Veen? Kaum. Menschen suchen gerade
in schlechten Zeiten Amüsement. Meine Firma existiert ohne Sponsor und Subventionen. Mich wurmt aber, dass Topmanager noch immer Riesenprämien erhalten - und dass gleichzeitig jeden Tag Tausende Menschen verhungern, ist eine Schande. Fast eine Milliarde Menschen haben keine Zukunft, wenn wir jetzt nicht etwas unternehmen.

Sie teuren oft durch Deutschland. Möchten Sie nicht, wie einst Ihr verstorbener Landsmann Rudi Carrell, ganz hier leben?
Ach nein, mein Herz liegt hier in Soest. In den Niederlanden.