Borkener Zeitung Neues Leben nach dem Krieg 24 aug 2009

Detmold - Mit stehenden Ovationen feierten rund 1000 Zuschauer auf der ausverkauften Waldbühne in Detmold am Samstagabend die Uraufführung des Musicals „Op een dag in september“ („An einem Tag im September“) von Herman van Veen. Das Stück erzählt die Geschichte des kleinen Mädchens Anna (Nina de la Croix), das seinen Vater retten will.

Der niederländische Liedermacher van Veen inszeniert die Geschichte als temporeiche Abfolge in sich geschlossener Szenen, die immer genau zum richtigen Zeitpunkt innehalten, damit fantasievolle Bilder und wunderbar arrangierte Lieder sich zu ihrem vollen Ausdruck entfalten können. Und er versieht sie mit einer ambitionierten Friedensbotschaft, entwaffnend, doch zu keiner Zeit naiv.

Der Krieg ist aus. Das Leben kann wieder beginnen. So scheint es zumindest am Anfang des Stückes, das Herman van Veen als Auftragsarbeit zum Varusjahr in Detmold geschrieben hat. Doch das Leben kann nicht einfach weitergehen. Als Annas Vater, der verschleppt wurde, heimkehrt, weil er nicht in den Krieg ziehen wollte, kennt er sich selbst nicht mehr - geschweige denn seine Tochter Anna oder seine Frau.

Mutter und Tochter haben die Kriegsgräuel überlebt, weil sie sich im Kopf des Hermannsdenkmals verstecken konnten. Geteilt haben sie ihren Unterschlupf mit der weisen Schneeeule Theofilius (Marc André Uelner), die Anna verrät, wie sie ihrem Vater helfen kann. Sie muss drei Blumen finden und aus ihnen einen Zaubertrank brauen. Schafft sie es nicht, ist ihr Vater für immer verloren.

Eine Aufgabe ganz wie aus uralten Märchen. Und doch lässt Herman van Veen sie gekonnt einfließen in ein ironisch gebrochenes und jederzeit augenzwinkerndes, nie moralisierendes Sittenbildnis der Nachkriegszeit, der Gegenwart Deutschlands und Europas. Anna besteht jede Prüfung, jedes Abenteuer. Und am Ende gelingt es ihr, ihren Vater wieder für das Leben zurückzugewinnen, das jetzt auch endlich tatsächlich weitergehen kann. Nicht so, als wäre nichts passiert, aber doch so, dass Zukunft möglich ist. Die Geschichte ist letztlich absehbar - so wie es Märchen eben sind. Was die Besonderheit des Musicals ausmacht, sind die vielen fantasievollen Gestalten, mit denen Van Veen die Welt der Anna bevölkert. Etwa die beiden Nebenfiguren Tik Tak und Joachim von Lips, die Anna auf ihrer Reise begleiten.

Oder die vielen Gestalten, in deren Rolle der Meister selbst schlüpft. Ob als Jan Valentin, Vater des Mädchens Anna, als geldgieriger Fährmann, temperamentvoller Franzose, Weihwasser spritzender Priester, als Erzähler, und natürlich als Musiker, der jeden Moment seine Geige erklingen lassen kann wie eine natürliche Fortsetzung des Schauspiels: Der 64-jährige hält die Fäden über eineinhalb Stunden fest in den Händen.

Es sind die Fäden, an denen auch die Schauspieler agieren. Denn hinter jeder Figur ist der Gestaltungswille ihres Erfinders deutlich spürbar. Unter der Anleitung des Liedermachers ist eine bunte Truppe aus 25 Laien und professionellen Schauspielern innerhalb von nur vier Wochen zu einem Ensemble zusammengewachsen, das ein Märchen zwischen Fantasie und Wirklichkeit wie aus einem Guss präsentiert.