Herman van Veen
SH am Sonntag
Der Pferdemetzger
20 september 2009

Von der Küche aus schaue ich auf eine Wiese und sehefünf Pferde grasen.
Zwei gehören Barbara, derTochter der Nachbarin, zwei Kim, unserer Pferdeflüsterin und eins meiner Frau. DieTiere haben es gut bei uns.
Eine Scheune, eine Weide für den Winter, eine Weide für den Sommer.
Regelmäßig kommt derTierarzt zur Kontrolle, der Schmied für das Beschneiden der Hufe und zum Beschlagen der Eisen.
Es gibt einen Reitplatz für große Runden, einen für kleine.

Sie werden jedenTag geritten, massiert, gesäubert und gestriegelt und ihnen wird sanft zugesprochen.
Am Wochenende bekommen die Pferdedamen gelegentlich Zöpfe in die Mähnen geflochten.
Ja, die Tiere sind reich mit den Frauen Gaetane, Barbara und Kim.
Wie anders erging es den Pferden, mit denen ich als Kind zu tun hatte.

Gut fünfzig Meter von unserem Haus war der Pferdemetzger. Durfte ihm beim Schlachten gern zur Hand gehen, um Fleisch für die Armen zu bereiten. Zuerst gingen wir auf den Viehmarkt. Dort kaufte der Schlachter dann zwei Pferde. Vorzugsweise junge Reitpferde. Pferde von ' ein oder zwei Jahren. Die hatten das leckerste Fleisch, saftig und mit feiner Faser. Die Farbe ist heller als bei älteren Pferde. Manchmal kaufte der Metzger ein Fohlen. Am liebsten eins von den belgischen Pferden, einen Brabanter, so zart wie Kalbfleisch.
Die Tiere wurden getötet und aufgehängt, um nach einem raschen Schnitt in den Hals auszubluten. Blut, das für Blut- undTiegelwurst benutzt wurde.

Alles vom Pferd wurde verwendet. Die Mähnen für Bürsten. Das Fleisch für Steaks, Filet, Hackfleisch, Wurst. Abfallfleisch für Kroketten und Frikadellen.

Wenn ich half, wurde ich mit einem zugebundenen Geschirrtuch voll mit Stücken ganz nach meiner Mutter Geschmack bezahlt.

Wir aßen damals viel Pferdefleisch, einfach weil es viel billiger als Kuh, Schaf oder Schwein war. Dass Pferdefleisch viel weniger Fett hat und reicher an Eisen ist als Rind- und Schweinefleisch, spielte dabei absolut keine Rolle. Außer als ich an Blutarmut litt und Dr. Snijder sagte, dass es das Beste wäre, wenn ich Pferdefleisch essen würde.
Habe vor kurzem gelesen, dass Pferde kein BSE, keine Maul- und Klauenseuche, Schweinepest oder Vogelgrippe bekommen.

Einen Moment, einen Moment nur denke ich an die Alternative, die ich da grasen sehe.
Als meine Frau hereinkommt, frage ich:
„Soll ich heute Abend was kochen?"
„Ja"
„Ich dachte an ein Hühnchen."



Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.