Udo Badelt
Der Tagesspiegel
Was im Leben wichtig ist 18 dec 2009

Berlin
Herman van Veen steht seit über 40 Jahren als Kleinkünstler auf der Bühne Heute kommt er mit seinem neuen Programm nach Berlin

Alleskönner. Van Veen ist Sänger, Liedermacher, Geiger, Dichter, Maler, Clown und Kabarettist zugleich.



Herman van Veen ist zwar ein Mann der Sprache. Laut und volltönend wird es aber bei ihm nicht: "Alles, was ich mache, lässt sich im Prinzip auf die Begriffe Baum - Haus - Straße - Papa - Mama - Mann - Frau herunterbrechen", sagt der Niederländer, der seit über 40 Jahren auf der Bühne steht und sich in dieser Zeit zu einer Art Universalkünstler entwickelt hat: Er ist Sänger, Liedermacher, Geiger, Dichter, Maler, Clown und Kabarettist zugleich. Auch in seinem neuen Programm "Im Augenblick" wird er viele Rollen einnehmen, und auch hier werden die einfachen und gerade deshalb wichtigen Dinge des Lebens wieder im Vordergrund stehen. Ab Freitag ist das Programm erstmals in Berlin zu sehen.

Der 64-Jährige bleibt gerne geheimnisvoll: "Ich erzähle was uns beschäftigt, was wir lieben, woran wir uns erinnern, was wir uns wünschen". Aber dann wird er doch konkret: Natürlich geht es auch in seinem neuen Programm wieder um Sprache. Zum Beispiel um den Dialekt, der in Köln-Ehrenfeld gesprochen wird, einer Mischung aus Kölsch, Türkisch, Arabisch - ein "Regenbogenland", wie er es nennt: "Dort entsteht die Zukunft, wie sie unvermeidlich ist. Aber sie kann friedlich geschehen." Auch Berlin, wo van Veen immerhin schon mal den Silbernen Bären der Berlinale erhalten hat, wird sicher in seinem Programm eine Rolle spielen. Aber welche genau, das weiß er immer erst einige Stunden vor der Aufführung. Beim letzten Mal, als er im Friedrichstadtpalast auftrat, war er kurz vorher vom Bahnhof über die Spree spaziert und hatte prompt poetische Worte für die großstädtische Magie der Weidendammer Brücke gefunden.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem deutschen und dem niederländischen Publikum? "Der deutsche Humor funktioniert anders", sagt er. "Hier sind Sprache und Text sehr wichtig, kein Wunder, bei dieser enormen literarischen Vergangenheit." In den Niederlanden ginge es mehr darum, etwas umzudrehen und in einen neuen Zusammenhang zu stellen, in Frankreich um Mimik und Clownerie, in den USA um Tempo und in Großbritannien um Understatement, um das, was nicht gesagt wird. Van Veen weiß, wovon er spricht, tritt er doch längst auch in Nordamerika, Südafrika und Japan auf.

Kürzlich musste er sich allerdings auf heimischer Bühne mit den lauten und hässlichen Tönen dieser Welt auseinandersetzen. Zum Jahrestag des Falls der Berliner Mauer hatte er geäußert, dass die PVV - die offen nationalistische und antiislamische Partei des Politikers Geert Wilders - sich nicht so entwickeln dürfe wie die NSB (Nationaal-Socialistische Beweging), die niederländische Nazipartei in den vierziger Jahren. Prompt wurde ihm das als Vergleich zwischen beiden Parteien ausgelegt. Das politische Klima des Landes ist schon lange nicht mehr sprichwörtlich tolerant, van Veen erhielt zahlreiche Drohbriefe per E-Mail. Inzwischen, sagt er, sei wieder Ruhe eingekehrt. Es sei ihm nicht "um die PVV, um die Pipapo oder sonst was gegangen, sondern um die Qualität der Demokratie in den Niederlanden."
Nach einer so langen Bühnenkarriere wird er auch das noch verkraften. "Ich bin nicht anders, nur älter geworden", sagt er. Und klingt dabei schon wieder so leise, freundlich und zurückhaltend wie immer.

"Im Augenblick", 18.-20., 22. und 23.12., Universität der Künste, Konzertsaal, Hardenberg-/Ecke Fasanenstraße, 20 Uhr

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 18.12.2009)