Cordula Fischer
Volksfreund.de
Meister der Melancholie 18 okt 2009

Herman van Veen ist ein Sammler. Ein Sammler von Geschichten, von Augenblicken. "Im Augenblick" lautet folgerichtig die neue CD samt aktuellem Tour-Programm, das ihn auch nach Trier führte. Das Publikum hatte er vom ersten Schritt auf die Bühne im Griff. Er berührte die Seelen von 900 Zuschauern in der Europahalle.


Trier. Ein schwarzer und ein weißer Schuh - allein seine Bühnenkleidung zeigt, dass Herman van Veen in keine Schublade passen will. Nicht entweder oder. Bei van Veen verbindet sich viel - Politisches mit leichter Muse, tiefes Gefühl mit Kalauern, Tränenreiches mit Komischem. Wird es zu ernst, zieht van Veen einen Strich, legt mit brachialer Härte einen Kalauer, eine Clownsnummer oder Absurdes nach, wie die in alle Richtungen springenden Tischtennisbälle oder lüftet sein Hemd und zieht sich die Unterhose bis unter die Arme. Um direkt im nächsten Moment zurückzuschwenken, er stimmt ein melancholisches Chanson über die Freundschaft und ein anderes über die Liebe an.

Es sind die ganz normalen kleinen Abenteuer des Alltags, aus denen Herman van Veen seine Texte und Lieder generiert. 64 Jahre ist der niederländische Künstler alt und kann nun aus einem noch größeren Fundus an Erfahrungen und Erlebnissen schöpfen. Und obwohl es oft nur Augenblicke, Moment-Aufzeichnungen, eben der ganz normale Wahnsinn des Alltags, sind, trifft van Veen damit genau in die Seelen und Herzen seiner Fans. Dass ihm das nach 45 Jahren Bühnenleben immer noch ohne Mühen gelingt, ist ein Phänomen.

Es ist seine wohltönende Stimme, ein klein wenig auch der immer noch vorhandene Akzent, es sind die überraschenden Pointen, die genaue Beobachtungsgabe und die Wandlungsfähigkeit, es sind vor allem die leisen Töne, die van Veen so gut wie kaum ein anderer Künstler beherrscht. Sie machen ihn nicht nur sympathisch, sondern auch für Nicht-Fans interessant Hinzu kommt seine Musikalität, er ist Multi-Instrumentalist - Gitarre, Geige, Piano, Kontrabass, Rhythmus- und Schlag-Instrumente und die simulierte Panflöte, nicht zuletzt immer wieder seine Stimme.

Seine Combo - Eric van der Wurff (Piano), Edith Leerkes (Gitarre) und die beiden Violinistinnen Dorit Oitzinger und Jannemien Cnossen, die ihn "Im Augenblick" begleitet, aber auch solistisch überzeugt - gibt van Veen einen neuen Anstrich. So kann er sich als Kopf der Gruppe voll auf seine Rolle(n) konzentrieren: die Menschen zum Lachen und zum Weinen zu bringen. Aber auch seine Botschaften in die Welt zu tragen: Er erzählt mit einem Augenzwinkern von seinen Sternschnuppen-Wünschen als Kind, Jugendlicher, als junger und gereifter Mann: Fußballschuhe, ein rotes Fahrrad, eine Frau, die immer bleibt, und dass die Haare nie ausgehen.

Mit 64 wünscht er sich - und da wird er ganz ernst, ist ganz Unicef-Goodwill-Botschafter -, dass Kinder auch in Zukunft sagen können: "Ich hab mir gewünscht ...". Van Veen ergänzt: "Solange die Kinder uns nicht vertrauen, geht es uns nicht gut." Und wie es van Veens Manier ist, klebt er sich ein rotes Rosen-Blütenblatt auf die Nase und gibt den Clown. Ernstzunehmen ist er allemal.