Tim Kosmetschke
Rheinzeitung
Herman van Veen: Der Lebens-Künstler

1000 Zuschauer lassen sich in Koblenz verzaubern
17 oktober 2009

KOBLENZ. "So schön es früher war, ist es früher nie gewesen." So spottet Herman van Veen - schwarze Hose, weites weißes Hemd, die Manschetten geöffnet -in der Rhein-Mosel-Halle über die Jammerlappen, die nur ans Gestern denken. Er ist ein vergnügter älterer Herr geworden, der immer noch Witze über seine schwindende Haarpracht macht. Er ist ein Clown geblieben, Poet, Musiker. Ein Troubadour, der über das Menschsein singt, die kleinen Tücken, die große Liebe, das Jungsein und das Altwerden. Rund 1000 Zuschauer bejubeln ihn dafür.


Wahrscheinlich ist Herman van Veen der nach Rudi Carrell beliebteste Niederländer Deutschlands. Seit Jahrzehnten umschmeichelt er seine Fangemeinde, die ihm treuer ist als seine Haare. Er singt ihr Lieder und macht sich mit Wonne und Würde über sich selbst lustig. "Im Augenblick" heißt sein aktuelles Album, davon stammt das Lied "Gott sei Danke", dem die Zeile über das verklärte Früher entnommen ist. Von der Kindheit über die wilde Jugend, die erste Frau und das erste Enkelkind bis zum Tod: Davon berichtet er. Das ganze Leben ist sein Thema - Herman van Veen ist der Lebens-Künstler. Stolze 64 Jahre alt ist er im März geworden. Doch er tanzt, singt, springt und blödelt wie ein junger Hüpfer. Längst kann er auf eine Weltkarriere zurückblicken. Fast immer an seiner Seite: Multiinstrumentalist Erik van der Wurff, der an Klavier und Bass auch in der Rhein-Mosel-Halle das Fundament der Veen-Musik schafft. Das eigentliche musikalische Ereignis ist jedoch Gitarristin Edith Leerkes. Zupackend sind ihre Akkorde, filigran ist ihr Fingerpicking. Sie durchstreift die Stile und Genres und formt die Lieder derart opulent aus, dass man eigentlich keine weiteren Musiker bräuchte. Doch auch die beiden singenden Geigerinnen Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger bereichern einen Abend, der neben allem Charme des Hauptdarstellers eben auch hochwertigste musikalische Unterhaltung bietet.

Die Lieder des Herman van Veen sind gesungene Poeme, orchestriert zu einem Mix aus Folklore und Pop, aus Chanson und Rock. Oft bleiben sie Fragment, der Sänger spricht urplötzlich in die letzte Strophe hinein und erzählt einen Witz wie diesen: "Ein altes Ehepaar sitzt bei einem Anwalt, es will sich scheiden lassen. Der Anwalt fragt: Warum denn jetzt noch - nach mehr als 60 Jahren. Antwortet die Frau: Wir wollten warten, bis die Kinder tot sind." Tragisch, komisch - typisch van Veen.

Kein Schritt, den die Protagonisten auf der Bühne tun, scheint zufällig gesetzt, alles fällt nach und nach an seinen Platz. Herman van Veen kann mit fliegenden Tischtennisbällen eine äs-thetische Show kreieren, er kann sich mithilfe eines auf die Nase gepappten Rosenblattes in einen Clown verwandeln, er kann sich die Unterhose bis über den Bauchnabel ziehen, er kann seine verbliebenen Haare grotesk verzwirbeln - er bleibt ein großer Künstler, gerade weil er es mit sich nicht so ernst meint. Dafür und für ein Lebenswerk gibt es tosenden Applaus, der erst nach zwei Zugaben langsam verebbt.