Herman van Veen
SH am Sonntag
Steine
14 juni 2009

War gestern Abend im stattlichen Schloss Zeist.
Wir spielten dort 1968 unsere erste Vorstellung.
War Gast auf dem jährlichen Sommerfest der Deutsch-Niederländischen Handelskammer.
Eine bunte Gesellschaft von deutschen und niederländischen Unternehmern toastete sich gegenseitig auf das vergangene und ein erfolgreiches neues Jahr zu. Anschließend konnte buffetiert werden. Kam ins Gespräch mit einem jungen Mann, derWartungselektriker bei KLM ist und dessen charmante Frau aus Leipzig kommt.
Wir unterhielten uns über die Zeit, als die Mauer noch stand, darüber, wie es da war und wie es nun geworden ist.
Erzählte ihr von der Pressekonferenz bei unserem ersten Besuch in der DDR und dem Journalisten, der mich damals vor allen fragte, was ich in dem sozialistischen Reich denn zu tun gedenke.
"Einen Stein aus der Mauer singen" hatte ich geantwortet. Höhnisch war darüber gelacht worden.
Berichtete ihr von dem Mann aus Leipzig, der, ich weiß nicht wie viele Jahre später, als die Mauer gefallen war, auf seinem Fahrrad nach Holland geradelt war, um mir einen Stein aus der Mauer zu bringen, den ich nun als Briefbeschwerer benutze.
Wir lachten über die Geschichte, die ich zu DDR-Zeiten gescherzt hatte: Ein Ostberliner Hündchen sagt zu einem Westberliner Hündchen, während sie sich gegenseitig anpinkeln, "stand hier früher nicht irgendwas dazwischen?"

Die junge ehemalige ostdeutsche Frau arbeitet heute in den Niederlanden bei der Deutsch-Niederländischen Handelskammer. Sie sprach über ihren Vater, der ein Leben lang mit Mörtel unerschütterlich Steine aufeinander gefügt hatte. Er mauerte einst auch ein gehöriges Stück der Mauer. 64 ist er nun, ihr Vater.
"Und? Wie geht es ihm?"
"Beschissen" antwortete die Frau, "er ist arbeitslos."



Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.