Herman van Veen
SH am Sonntag
Messer
13 september 2009

Draußen ist es grau. Stehe mit schläfrigem Kopf in der Küche und schneide Brot. Hab unruhig geschlafen. Zu spät zu viel gegessen, zu viel getrunken. Zu wenig meinem Sohn zugehört, selbst zu viel geredet. Danach den falschen Film gesehen. Über einen Krieg zwischen Werwölfen und Vampiren.
Hab anschließend versucht, die Gräuelbilder wegzuzappen, indem ich eineTalkshow angeschaut habe, wo allerdings von nicht weniger schrecklichen Dingen gesprochen wurde als in dem Unterweltfilm. Ich nahm all die Bilder mit ins Bett, um sie wegzuschlafen. Bin mitten in der Nacht aufgestanden, weil nicht erklärbare Geräusche zu hören waren. Konnte keine Ursache finden.

Schneide nun mit einem gefährlichen Brotmesser und mit schläfrigem Kopf Brot in der Küche. Mit so einem Messer, wie das von dem nicht zurechnungsfähigen Mann. Wir spielten vierTage in einer uns vertrauten deutschen Stadt. Nach der Pause erzählte ich dort jeden Abend aufs Neue die Geschichte von einem arbeitslosen Mann, der aus SchamTag fürTag so tat, als ob er zur Arbeit ginge, und dann, hoffentlich ungesehen, durch die Stadt schlenderte, um nach Ende der Bürozeit wieder pünktlich zu Hause zu sein.

Bei seinem Spaziergang durch die Stadt fing der arbeitslose Mann in dem Geschichtchen im Wilhelminapark in Utrecht Streit mit Gott an. Ich fokussierte meinen Blick, während ich den wütenden Arbeitslosen spielte, jeden Abend auf dasselbe rote Schildchen „Notausgang" Ich wusste nicht, dass dort unter dem Schildchen Abend für Abend ein Sicherheitsmann stand. Er war ein Ausländer, scheinbar noch nicht allzu lang in Deutschland. Er verstand nicht, warum ich ihn jeden Abend so roh beschimpfte. Der Mann war überzeugt, dass ich meine Frustration an ihm abreagierte, und das sogar vier Mal.
Am letzten Abend stürmte er nach der Vorstellung mit einem solchen Brotmesser in meine Garderobe, um mir die Kehle durchzuschneiden...? Wer weiß. Eelco Coster, unser Monitor Mixer und meine Physiotherapeutin stürzten sich auf den rasend gewordenen Sicherheitsbeamten.

Habe dem verwirrten Mann später noch ein Briefchen mit einer Blume geschickt. Das alles ist ein schreckliches Missverständnis gewesen. Ich erzählte die Geschichte von dem arbeitslosen Mann auch weiterhin, doch jeden Abend in Richtung eines anderen Notausgangsschildchens.



Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.