HEIKE KRÜGER
Neue Westfällische
Herman van Veen in Halle: Wechselbad der Gefühle

Reichhaltiger Konzertabend
12 okt 2009

Halle. In welche Schublade passt er nun eigentlich? Der Antwort hat sich Herman van Veen schon vor vielen Jahren verweigert. Beim Konzert in Halle, das eigentlich ein heiteres Comedy-Programm, ein melancholischer Chansonabend, eine clowneske Varietévorstellung, ein Kammerkonzert und eine Märchenstunde in einem abgab, war das nicht anders. Scheinbar mühelos füllt der Troubadour noch immer die Hallen - am Samstag auch die in Halle.


Noch im besten Mannesalter (64 ) und mit schlohweißem Haar fasziniert der Holländer, der in so vielen Genres zuhause ist: mit der melancholischen Schönheit seiner Worte, der Wahrheit in seinen Texten, die oft eine unerwartet spitzfindige oder zynische Pointe erhalten. Und nicht zuletzt mit seiner hohen Virtuosität an Violine, Gitarre und Klavier. Doch wenn’s ihm, dem Konservatoriumsmusiker, zu ernst wird, der Klangteppich zu glatt zu werden droht, – Schnitt – ein neuer Denkanstoß, ein makabrer Kalauer ("Es brennt im Krematorium. Ein Toter"). Danach eine schräge Clownsnummer, wie die mit den unvermeidlichen Tischtennisbällen, die ihn durch die Jahrzehnte seiner beachtlichen Karriere begleiten. Oder die brachialhumorige Nummer mit der bis unter die Achseln gezogenen Unterhose.
In Halle sei er zum ersten Mal, gestand er. Doch ganz in der Nähe, in Detmold, habe er vor kurzem einige Wochen verbracht. Spontaner Applaus Kundiger, die das eigens zum Varus-Jahr von van Veen inszenierte Musical "Ein Tag im September" am Fuße des Hermannsdenkmals genossen hatten.


Zuschauer unterstützen beim Regenmachen


Bei einer ruhigen Nummer klatschte der Platzregen laut und deutlich aufs Zeltdach des Gerry Weber Event-Centers und gab dem ohnehin von den Gerüchen der Essenstände im Saal nuancierten Konzerterlebnis eine ganz spezielle Note. Van Veen überspielte all das unverdrossen und gewohnt humorvoll. Zuvor hatten ihn die eifrigen Zuschauer schon beim Regenmachen akustisch unterstützt.
Sein Publikum, kein Zweifel, ist mit ihm gealtert – und es ist ihm treu geblieben. Vermutlich erinnern van Veens zarte Betrachtungen des Lebens, der Liebe und der Dinge, die für ihn am meisten zählen, an den eigenen Idealismus früherer Zeiten. Doch da verweigert sich der Barde einer eilfertigen Absolution allzu krasser Saturiertheit.

Er selbst scheint irgendwie Kind geblieben zu sein, schaut mit offenem Blick und zugleich sezierender Schärfe auf die Ungereimtheiten der Welt. Mit seiner weichen, volltönenden Stimme präsentierte er zumeist neue Titel seines aktuellen Albums "Im Augenblick": Da konnte man spüren, dass sich heute viel um seine Familie, seine Wurzeln, aber auch um die tiefe Verbundenheit mit seinen inzwischen erwachsenen Kindern ("Nach Hause", "Was kann ich für dich tun") dreht. Unpolitisch ist es deshalb nicht geworden, was Stücke wie "Köln-Ehrenfeld" über gescheiterte Integration beweisen.


Starkes Team sorgt für zeitgemäßere Note

Doch was wäre ein noch so vielseitiger Künstler wie Herman ohne hervorragende musikalische Mitstreiter: Sein Freund, der Pianist Eric van der Wurff, begleitet ihn schon seit vier Jahrzehnten kongenial. Und die drei Geigerinnen Jannemien Cnossen, Dorit Oitzinger und Edith Leerkes (auch Gitarre) konzertierten in großer Eigenständigkeit und brillierten erst so recht bei den solistischen Spiel- und Gesangspartien. Sie alle sind maßgeblich daran beteiligt, dass die Hermanschen Programme eine zeitgemäße und deutlich virtuosere Note bekommen haben. Nach zweieinhalb Stunden und dem gewohnt üppigen Zugabenteil ist die Welt ein klein wenig besser geworden.