Herman van Veen
Flensburger Tagesblatt
Gut für eine Nacht 8 augustus 2009

Nachdem ich meine Zeitungen ausgetragen hatte, ging ich als elfjähriger junger Mann - ich bin Jahrgang 1945 - jeden Donnerstagabend von unserer Wohnung mit meiner Geige auf dem Rücken zu den Geigenstunden in der Lange Nieuwstraat von Utrecht.
Ich spazierte über die Noorderbrug hinter der Janskirche vorbei hinüber zum Domplatz.
Dieser Platz konnte am frühen Abend durch die tiefstehende Sonne manchmal bedrohlich aussehen. Groß und still. Ein einziger Radfahrer tauchte aus den finsteren Schlagschatten auf. Dann pfiff ich ein fröhliches Lied. Das hallte schön, und man konnte mich kommen hören. Mein Pfeifen klang, so hoffte ich, wie das eines erwachsenen Mannes.

Nach meinem Geigenunterricht ging ich hinter dem Dom vorbei durch die schönste Straße unserer Stadt zum Janskerkhof. Wo, wenn es dunkel war, die Homosexuellen in der Nischen der Kirche ihre heimlichen Dinge taten. Fehlgeleitete Schwule, nannte sie meine Mutter.
Junggesellen, die keine Mädchen mochten. An diesem Janskirchhof lag Hotel de Pays-Bas. Hotel der Lage Landen. In dem gelben Licht konnte man die in meinen Jungenaugen Steinreichen ein- und ausgehen sehen. Hörte man fremde Sprachen. Schleppten Piccolos Koffer voller unbekannter teurer Sachen durch gläserne Türen. Sah man hinter großen Fenstern Menschen speisen, Zeitung lesen, Liebhaber flüstern, Herren Zigarren rauchen.
Ich hockte oft auf dem Sockel des Denkmals von Willibrord, dem Gründer Utrechts, und starrte wie ein kleines Kind auf Goldfische in einem Goldfischglas auf die Wesen hinter den Fenstern in diesem Hotel.

Später, wenn ich groß sein würde, so träumte ich, würde ich auch ein Reisender werden. Sänger, Geiger und Autor, dinieren, Zeitungen lesen, in fremden Sprachen liebe Worte flüstern in so vornehmen Gasthäusern wie dem Hotel de Pays-Bas.