Herman van Veen
SH am Sonntag |
Es ist still
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6 dec 2009 |
Es ist still. Es hat geschneit. Nicht viel, aber doch. Die Stadt, in der ich wohne, sieht nun ganz unecht aus. Wahrscheinlich kommt das durch Weihnachtsfilme, die man in diesen Tagen im Fernsehen sieht, und die Wunschkarten, die aus dem Briefkasten fallen. Filme und Ansichtskarten, auf der eine perfekte weiße Welt zu sehen ist. Jetzt, da sich das im Original offenbart, scheint die Wirklichkeit wie ein Plagiat. Godfried Bomans, ein niederländischer Schriftsteller, verdächtigte einst die gesamte Schweiz des Imitats. Was nicht verwunderlich war, weil sie zu oft fotografiert, gemalt und gefilmt wurde. Man glaubt es einfach nicht, wenn man dann dorthin reist. Das kann doch nicht wahr sein. Das kann man auch bei Playbackshows entdecken. Michael Jackson originaler als das Original. Toter als der Tod. Gestern ist in Amsterdam ein alter Freund gestorben. Ein Lebenskünstler, wie man das so sagt. Ein Mann, der für mich ein leuchtendes Vorbild war. Nach allen Interviews im Fernsehen und in der Zeitung, mit Menschen, die ihn durch und durch besser kannten, als er sich selbst, erscheint am Ende des traurigenTages sein Foto wie ein Plagiat. Oder auch, wie in mir jemand sagt, wie eine Stadt im Schnee. Ein Ort, an dem sonst der Lärm tobt, ist mit einem Male totenstill. Eine Wahrnehmung, wie beim Betreten einesTheaters. Es gibt kein Echo mehr, das Dekor ist nun das Stück geworden. Es weigert sich, etwas anderes zurückzugeben als sich selbst. Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter. Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag. |