Herman van Veen
SH am Sonntag
Hör gut zu
6 september 2009

Zurück in den Niederlanden.War sechs Wochen in Detmold. Im Kreis Lippe. Wir spielten dort Open Air zu Füßen des Hermanndenkmals mit lauter jungen Menschen das Märchen „Op een dag in September" Die Geschichte eines jüdischen Mädchens, das im Krieg mit ihrer Mutter im Kopf des riesigen Soldatenstandbildes untertaucht. Am ersten September in strömen dem Regen war die letzte Vorstellung einer unvergesslichen Serie. •- Überall in Europa gedenkt man an diesemTag im September an den Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Seit zweiten September bin ich wieder zu Hause. Lese in den i Zeitungen, dass der Antisemitismus in den Niederlanden in letzter Zeit stark zunimmt. Juden werden immer häufiger diskriminiert, bedroht und angegriffen. Es sind, so schreibt man, antijüdische Aktionen als Reaktion auf israelische Militäraktionen in Gaza. Einheimische Niederländer tun dies in allerlei Internetforen und in E-Mails. Einwanderer tragen ihre Schlacht auf der Straße aus. .
So wurde in Amsterdam ein 16jähriges Mädchen, so alt wie Anna in unserem Bühnenstück, durch drei Marokkaner gepackt und durch ihre Kette mit dem Davidstern als Jüdin identifiziert. Daraufhin wurde sie beleidigt und getreten.

Die ausartende Gewalt ging auch dann noch weiter, als das Kind verletzt am Boden lag. Ein jüdischer Mann, auch in Amsterdam, wurde durch Marokkaner auf Fahrrädern verfolgt und als Krebsjude betitelt. Letztendlich wurde er umzingelt und in seinen Bauch getreten.
Als ihm ein Mädchen mit einem Kopftuch zu Hilfe kam, bekam es ebenfalls Schläge. Der Antisemitismus wuchert auch an Schulen. Im Amsterdamer Viertel Slotervaart musste kürzlich der Unterricht eingestellt werden, weil Schüler antijüdische Parolen skandierten. In Rotterdam geschah dasselbe. „Hamas Juden ins Gas" und „Juden sind Mörder" wurde in einigen Klassenzimmern gerufen.

Mein Magen zieht sich zusammen. Höre mich noch diese Woche in einem deutschen Wald sagen:
„Anna, nicht Gott fängt einen Krieg an, das tun die Menschen. Gott ist eine Idee im Kopf der Menschen, so wie ich im Kopf eines Kriegsdenkmals.
Etwas geschieht nur deshalb, weil es von den Menschen erhofft, von den Menschen ausgedacht wird."
Anna Silberblatt, hör gut zu!



Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.