Karsten Krogmann
Nord-West Zeitung Online
„Laute Schreie erschrecken mich“

Der Clown Herman van Veen mag Deutschland am liebsten leise
5 september 2009

Frage: Herr van Veen, macht es eigentlich Spaß, in Zeiten der Krise ein Clown zu sein?
Van Veen: Ja, sonst würde ich es nicht machen. Gerade in solchen Zeiten kann doch ein Lächeln nur gut tun.

Frage: Wenn man Ihre neue CD „Im Augenblick“ hört, hat man aber eher das Gefühl, Sie möchten die Menschen zum Weinen bringen – so melancholisch sind viele Melodien, so schwer manche Texte . . .
Van Veen: . . . aber haben Sie nicht das CD-Cover gesehen? Darauf ist ein Clown, der bildet das Gegengewicht! Kommen Sie ins Konzert, da gibt es viel zu lachen.

Frage: „Der Mensch hat nichts anderes als den Augenblick“, singen Sie auf Ihrer neuen CD. Ist das Ihre Botschaft nach 64 Lebensjahren: lebe den Moment?
Van Veen: Ich glaube, dass es sich lohnt, zu realisieren, wie man und wo man im Augenblick steht. Es gibt so viele Ängste, aber ich rette mich aus allen unangenehmen Situationen mit der Erkenntnis, wie gut es mir doch eigentlich geht. Wenn man das vergleicht mit jemandem, der in einem Entwicklungsland lebt, geht es uns in Europa doch phänomenal.

Frage: „Gott sei Dank“ singen Sie: Sie werden älter, aber Ihnen geht’s prima . . .
Van Veen: . . . ja, ich bin dankbar! Alles, was ich mit 26 konnte, das kann ich jetzt mit 64 auch noch.

Frage: Mögen Sie es, älter zu werden?
Van Veen: Ja! ich genieße mit dem Älterwerden das Leben mehr denn je. Ich habe zwei Enkelsöhne, und durch die Augen der beiden empfinde ich Dinge, die für mich total selbstverständlich sind, nicht mehr als selbstverständlich. Es ist fantastisch, Zeuge sein zu dürfen, wie die Jungs zum ersten Mal ein Pferd kacken sehen! Ich habe das dagegen schon sehr oft gesehen.

Frage: Sie sind ein Holländer, der in Deutschland mindestens ebenso erfolgreich ist wie in seiner Heimat. Wie funktioniert das? Können Sie Ihre holländischen Lieder einfach ins Deutsche übertragen?
Van Veen: Ich habe das Glück, dass meine Themen meistens autobiografisch sind. Ich muss also nur erklären, wie meine Mutter aussah oder wie mein Sohn aussieht, und das kann ich auf Deutsch oder Holländisch oder Englisch oder Französisch.

Frage: Es sei denn, Sie singen von Problemen zwischen Deutschen und Migranten wie ihn Ihrem Lied „Köln-Ehrenfeld“. Das ist dann typisch deutsch!
Van Veen: Nein, in Holland gibt es das gleiche Problem, die Stärkung rechts von der Gesellschaft. Dieses Lied ist im Original ein holländisches Lied, da beschreibt es die Stadt Enschede. Die kennt man hier aber nicht so gut, deshalb haben wir es nach Köln verlegt. Man hätte es aber ebenso gut nach New York oder Paris verlegen können, denn es geht um ein universelles Problem.

Frage: Was mögen Sie an Deutschland?
Van Veen: In Deutschland gibt es so viel Geschichte zu besichtigen, Kirchen, Museen, Städte, Landschaften. Da ist so viel zu sehen, so viel zu lesen – das ist das alte Herz Europas! Das liebe ich sehr.

Frage: Gibt es etwas, das Sie nicht mögen an Deutschland?
Van Veen: Das Schreien. Man hört nachts oft ziemlich laute Männerstimmen. Die Sprache kann ziemlich hart sein. Wenn man sie singt, dann ist sie leise und sanft. Aber ab und zu höre ich jemanden schreien und erschrecke mich.

Frage: Gibt es ein Wort, das Sie in der deutschen Sprache besonders gern mögen?
Van Veen: Gemüse – das ist ein super Wort! Es klingt einfach gut.

Frage: Was glauben Sie: Warum mögen die Deutschen den Holländer Herman van Veen so gern?
Van Veen: Ich bin ein Fachmann, jemand, der seinen Beruf liebt. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Dann habe ich ein paar Talente; das ist kein Verdienst, die habe ich einfach so bekommen. Und ich glaube, dass dieser merkwürdige Akzent auch eine Rolle spielt. Wir Holländer sprechen eben ein merkwürdiges Deutsch, aber das objektiviert die Sprache. Das ist bei uns auch so: Wenn ein Franzose Holländisch spricht, dann möchte man ihn sofort heiraten.

Frage: Was sollen die Menschen über Sie sagen, wenn Sie einmal alt sind und im Ruhestand?

Van Veen: Oh, einen Ruhestand wird es bei mir nicht geben. Aber sagen sollen die Menschen später über mich: Er war ein interessanter Mann.