Helmut Hetzel
FR-Online
Herman van Veen wird bedroht 4 dec 2009

Als Mann, der eher milde Gesellschaftskritik übt, hat er sich vier Jahrzehnte lang ein treues Publikum in Deutschland wie in seiner holländischen Heimat erspielt. Doch jetzt sieht sich Herman van Veen, 64, im Brennpunkt einer heftigen politischen Debatte – wüste Beschimpfungen und kaum verhohlene Todesdrohungen bekommt der Liedermacher, seit er öffentlich seine Bedenken gegen die "Partei der Freiheit" vortrug, die rechtspopulistische PVV.

Anlass ist die Rede, die van Veen anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls hielt, bei einer Gedenkfeier in seiner Heimatstadt Utrecht. Auf offizielle Einladung der Stadt sprach er beim "Kulturtag" vor einigen Hundert Zuhörern. Van Veen warnte davor, dass sich die PVV unter Führung von Geert Wilders zu einer Art neuen NSB in Holland entwickeln könnte. Die 1931 gegründete NSB – Nationaal Socialistische Beweging – war die einstige niederländische Nazi-Bewegung. Ihre Mitglieder kollaborierten während der Besatzung der Niederlande durch Nazi-Deutschland mit den Besatzern – sie war das niederländische Äquivalent der NSDAP.

Der indirekte Vergleich, den der Musiker zwischen der PVV und der NSB zog, löste nicht nur unter den zahlreichen PVV-Anhängern heftige Reaktionen aus, die in Bedrohungen des Liedermachers und in Hass-Mails gipfelten. Auch PVV-Chef Geert Wilders reagierte – und versuchte, den kritischen Liedermacher zu schützen: "Herman van Veen darf auf keinen Fall bedroht werden, und wenn das passiert ist, dann ist das verwerflich und schädlich", sagte Wilders.

Der Anwalt von Geert Wilders, Bram Moszkowicz, warf van Veen indes vor, Geert Wilders und die PVV zu "dämonisieren. Wenn Wilders und die PVV mit der NSB etwas gemein hätten, dann hätte Elie Wiesel Geert Wilders wohl kürzlich in New York nicht empfangen, der setzt sich nämlich mit Nazis nicht an einen Tisch", erklärte Moszkowicz, der übrigens wie das Nazi-Opfer Elie Wiesel auch Jude ist und Geert Wilders verteidigt.

In Anspielung auf das Schicksal von Pim Fortuyn sagte Moszkowicz: "Wir haben erlebt, was passieren kann, wenn Menschen dämonisiert werden." Der Rechtspopulist Pim Fortuyn wurde am 6. Mai 2002 von einem fanatischen Tierschützer erschossen, nachdem Fortuyn eine bis dahin in den Niederlanden beispiellose Diffamierungskampagne erlebt hatte.

Außerdem beleidige Herman van Veen "zwei Millionen Niederländer mit seinem Vergleich", erklärte der Anwalt. Der Anhang der PVV wird aktuellen Umfragen zufolge auf rund zwei Millionen Wähler in den Niederlanden geschätzt. Die PVV wäre angesichts dieser Zahlen derzeit in Holland die zweitstärkste politische Kraft hinter den Christdemokraten, was sich auch bei der Wahl zum Europa-Parlament im Juli bereits im Wahlverhalten zeigte.
Bei den letzten Parlamentswahlen vor drei Jahren errang die PVV aus dem Stand heraus neun der insgesamt 150 Sitze im Haager Parlament. Die aktuellen Umfragen sagen, dass die PVV, wenn jetzt gewählt werden würde, bis zu 25 Mandate erringen könnte. Programmatisch agiert Wilders und dessen PVV hauptsächlich auf drei Politikfeldern.

Erstens, der Kritik des Islam, den Wilders als "totalitäre Ideologie" bezeichnet. Zweitens, der Ausländer- und Integrationspolitik. Auf diesem Feld fordert die PVV einen Einwanderungsstopp. Drittens, der Rentenpolitik. Wilders und die PVV sind gegen eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre, wie sie eben von der christlich-sozialen Haager Regierung beschlossen wurde.

Die Drohungen und Erwiderungen der PVV-Anhänger treffen einen Musiker, der sich in seiner Karriere politisch nie festgelegt oder einseitig engagiert hat – außer für die Rechte von Kindern. Als Unicef-Botschafter und Begründer der Herman-van-Veen-Stiftung setzt er sich vor allem für benachteiligte Kinder ein; ein Alfred-J.-Kwak-Haus am Niederrhein, in dem Kinder besonders gefördert werden, gehört zu seinen Initiativen aus jüngerer Zeit. Dass er mit seinen leisen, besonnenen Tönen auch die Menschen in Holland und Deutschland verbindet, wurde ihm mit dem Bundesverdienstkreuz gedankt. In seiner Heimat gilt er als liberaler und weltoffener Humanist; in Deutschland ist er seit Mitte der 70er eine Ikone der Linksliberalen.

Umso heftiger zeigt sich van Veen von den aktuellen Reaktionen erschüttert. Es sei "erschreckend, dass man seine Sorge über bestimmte Entwicklungen nicht mehr äußern könne, ohne bedroht zu werden". Er habe in seiner Rede die PVV lediglich dazu aufrufen wollen, endlich eine richtige Partei zu werden, die auch Mitglieder zulassen müsse. "Es hat mich erschreckt, welche Reaktionen ich erhalten habe. Diese Reaktionen bestätigen die Sorge, die ich habe."