Herman van Veen
SH am Sonntag
RUKUKU
01 nov 2009

An der Grabenseite stehen in der trockenen Herbstluft eine fast kahle Eiche und eine Birke.
Nicht weit voneinander. von Schafen glattgescheuert.
Was genau sind sie von einander, diese beiden Bäume?
Tante, Onkel Nachbar, Nachbarin, Neffe, Nichte? Was haben sie gemeinsam? Worüber wiegen sie, wenn der Wind weht? Worüber schweigen sie, wenn es windstill ist? Wissen sie, dass sie da stehen? Kitzelt es, wenn ein Rotkehlchen unsichtbare Dinge von ihren Zweigen pickt? Erkennen sie, dass ich hier bibbernd und schamlos dastehe und sie betrachte. Dasselbe und doch ganz anders - ihr Spiegelbild im Wasser.

Seit Jahren versucht meine Frau ein Wort für meineTochter aus erster Ehe zu finden.
Was ist sie von ihr?
Stieftochter - klingt so schneewittchenartig. Ich finde ,Stief, ist ein hässlichesWort.
Die Tochter meines Mannes? Zu lang und zu distanziert. Es gibt manchmal einfach keine Worte für das, was wir voneinander sind. Ein Mann, der seine Frau verliert, heißt Witwer. Eine Frau, die ihren Mann verliert, nennt man Witwe. Wie aber nennt man Eltern von einem gestorbenen Kind?

Was sind die beiden Bäume am Wassergraben voneinander? Was sind wir von ihnen? Was sind sie von uns? Was ist der Himmel von der Erde?

EineTaube fliegt über meinen Kopf und lässt einen Klecks Taubenscheiße auf meine Glatze fallen.

Sie ist niemandem zugehörig, ich bin etwas, worauf man scheißt.



Herman van Veen (64) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.