Herman van Veen
SH am Sonntag
Spiegelbild
1 feb 2009

Sah im Fernsehen einen Film, der über einen einfachen Buchhalter ging, glücklich verheiratet, zwei Söhne. Der Älteste ist ein talentierter Eishockeyspieler, der Jüngste vor allem ein Pubertierender. Die Familie lebt unbekümmert in einem Außenbezirk einer großen Stadt.
Eines Abends, nach einem Eishockeyspiel, fährt der Vater mit seinen Söhnen nach Hause. Unterwegs stoppt er, um zu tanken. Der jüngste Sohn bleibt im Auto, um mit seinem Gameboy ein Kriegsspielchen fertig zu spielen, der älteste geht, um sich im Laden neben der Tankstelle eine Dose Cola zu kaufen. Während der Vater tankt, wird der Laden von zwei schwer bewaffneten Männern in Sturmhauben überfallen. Bevor sie mit ihrer Beute davonziehen, muss einer der Bande beweisen, dass er nun vollwertiges Mitglied der „Gang" ist und willkürlich jemanden im Laden erschießen. Dem Sohn des Buchhalters wird ohne Erbarmen in Zeitlupe durch den Kopf geschossen. Jubelnd und mit quietschenden Reifen rasen die Schufte daraufhin davon.

Der Buchhalter beschließt aus Frustration über folgend lautenden Rechtsspruch - der Mörder wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen - höchstpersönlich Rache zu nehmen.

Er nimmt seine Krawatte ab, zieht sein Oberhemd aus, und wir bemerken, dass der Buchhalter den Brustkorb eines trainierten Bodybuilders hat.
Der Mann rasiert sich seinen Kopf kahl, zieht die Lederjacke seines erschossenen Sohnes an und zieht in den Krieg. Wie ein voll ausgebildeter Guerilla rechnet er, nachdem er sorgfältig die Gebrauchsanweisungen seiner neuen Waffen gelesen hat, mit dem Mörder seines Sohnes ab. Der Buchhalter kann jedoch nicht verhindern, dass auch seine Frau und sein jüngster Sohn niedergeschossen werden.

Der Film endet mit einem beinahe sterbenden oder nicht-sterbenden Buchhalter. Dies lässt der Film offen. Die Kamera zoomt auf sein gezeichnetes Gesicht.

Ich zappe verstört zurTagesschau und sehe den Buchhalter nun verkleidet als jemanden aus Schwarzafrika. Blind vor Wut schießt er auf einen anderen verkleideten Buchhalter, der sich hinter einerTanksäule wegduckt.

Neben einem Auto liegt ein junger Mann in seinem mit Blut beschmierten Fußballshirt auf dem Boden. So echt wie im Film.

Der einzige Unterschied:
Zu den Bildern in derTagesschau hört man keine Musik.



Herman van Veen (63) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.