Herman van Veen
SH am Sonntag
Schnee
30 nov 2008

Der Niederschlag der in der Atmosphäre unterhalb des Gefrierpunktes abgekühlten kristallisierten Wasserteilchen hat das Dach der alten Kirche weiß gemalt. Eine wässrige Sonne lässt das kupferfarbene Ziffernblatt der Kirchenuhr sanft aufleuchten. Die Bäume links und rechts vom Gotteshaus stehen da wie stramme, weiße Wächter. Rauch steigt aus dem Schornstein der Küsterwohnung. Ein Bild, wie auf einer altertümlichen Ansichtskarte. Brauchte nur noch "Fröhliche Weihnachten und glückliches neues Jahr" darunter zu schreiben.

In der Morgenzeitung ist auch ein Bild. Ein Foto der schneebedeckten riesigen Spitzen eines abgebrochenen Gletschers auf Grönland.

2007 hat das Tempo, mit dem das Sommereis auf dem Nordpol verschwindet, die schwärzesten Prophezeiungen übertroffen. Das Problem der globalen Erwärmung haben wir lediglich in unserer Vorstellung in Angriff genommen. Fest steht: DieTatsachen lügen nicht. Jetzt wird die Rechnung präsentiert. Nichtstun wird unbezahlbar.

Stell dir vor, du schaust von der Venus auf die Erde. Dann könntest du sehen, wie unser Planet im Sonnenlicht badet. Du würdest schwer glauben können, dass wir hier meinen, ein Energieproblem zu haben.
Wie sind wir nur jemals auf die Idee gekommen, uns selbst durch das Ausbeuten von Energie aus fossilen Brennstoffen und Plutonium zu verbrennen und zu vergiften, während das Sonnenlicht in einem strahlenden Regen von Photonen und als konstanter Ström zu uns fließt. Ich beschaue die weiße Welt rund um unser Haus, die so echt ist wie meine Hand. Weit entfernt von Virtualität.

Schnee, so weiß ich auch, der durch die Sonne wieder verschwinden wird. Durch dasselbe Sonnenlicht, das irgendwann dafür sorgen wird, dass wir - und sei es mit verdammt viel Schmerz - dieses "Gottesgeschenk" würdigen und benutzen werden.


Lass ein Licht aufgehen!



Herman van Veen (63) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.