Herman van Veen
SH am Sonntag
Sprache
27 jan 2008

Sprach neulich jemanden von einem anderen Planeten, einen gewissen Max. Er konnte nicht verstehen, warum wir Menschen die wortwörtliche Bedeutung von Musik nicht begreifen.

Eine komplette Spezies, Milliarden von Menschenwesen, spielen und hören in einem Großteil ihrer Zeit Musik, ohne dass sie die bedeutungsvollen atonalen und tonalen Muster zu verstehen wüssten.

Max hatte sich aus Neugier auf die Erde gebeamt, um einem Menschenkonzert beizuwohnen. Sein Mund blieb ihm offen stehen, als er sah, wie der Homo Sapiens höflich die Musikdarbietung genoss und am Ende die Ausführenden und den Komponisten zum Erfindungsreichtum und zur großartigen Interpretation beglückwünschte, ohne die wirkliche Sprache der Musik verstanden zu haben. Die eigentliche Bedeutung der Klänge wurde vollständig und kollektiv ignoriert. Die Musik konsumierte man, so als ob es etwas wäre, das lediglich so viel bewirkte wie ein Eiswürfel in einem Glas roten alten Wein.
Nach Hause gekommen, packte Max seine Geige und spielte seiner Familie in wirkungsvollen Worten vor, dass da auf einem blauen Planeten eine Gattung existiere, für die Musik lediglich Zeitvertreib wäre.
Max's Familie war sprachlos, wusste nichts mehr zu spielen.



Herman van Veen (60) ist niederländischer Musitrer, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.