Herman van Veen
SH am Sonntag
Basilisk
26 okt 2008

Als meine Eltern fünfzig Jahre verheiratet waren, feierten wir das in Oudaen, einem befestigten, mittelalterlichen Haus an der Oudegracht in Utrecht. Auch Stadtburg genannt und einst für die Familie Zoudenbalch erbaut.

Im Keller unter Oudaen hat auch einst, so erzählt die Geschichte, ein Basilisk gehaust, ein Ungeheuer mit Drachenflügeln, den Schnabel von einem Adler und mit einem Schwanz von einem Eichhorn, Die Stacheln auf seinem Rücken waren tödlich, so gefährlich wie seine Augen, runde Löcher, die eine versengende Hitze ausstrahlen konnten. Schaute man in die Augen des Basilisken, dann durchdrang er dich mit der Hitze, versengte dein Herz, um danach den gesamten pochenden Muskel wegzufressen, Was übrig blieb, war eine Handvoll Asche. So steht es in den Büchern. Wie viele Menschen der Basilisk in Utrecht getötet hat, ist nicht bekannt. Nichts blieb unversucht, um dasTier auszurotten. Vergebens. Bis zu demTag, als sich ein kühner junger Mann anbot, den Basilisken zu vernichten.

An besagtemTag hatte sich eine stattliche Menge Leute bei der alten Brauerei versammelt. Man beschaute sich den Mann voller Mitleid, denn es ist grausam, wenn jemand so jung sterben muss. Der junge Mann schien allerdings das abscheuliche Biest nicht zu fürchten. Er band sich ein Blindtuch um, so dass er die schrecklichen Augen des Monsters nicht zu sehen brauchte. Unbewaffnet würde er dem grässlichenTier entgegen treten. Er klopfte sich auf die Brust, auf der er ein Holzbrett festgebunden hatte und stieg mit leichtem Schritt furchtlos in den Keller hinab.

Als das Biest ihn näher kommen hörte, hob es seinen Kopf, seine Augen glühten, Hitze schlug gegen die Brust des unerschrockenen Jünglings, aber er starb nicht. Er lief in aller Seelenruhe auf die Kreatur zu. Langsam aber sicher krauchte das unbeschreibliche Wesen näher. Wenn sein Feind nicht durch Feuer sterben wollte, danp sollte er durch sein Gift sterben. Doch als das Biest zuschlagen wollte, drehte der Mann das Brett, das er auf seine Brust gebunden hatte, um. Der Basilisksah plötzlich seinen ungeheuerlichen Irrtum. Es war ein Spiegel, den der Jüngling ihm entgegen hielt. Nun geschah ihm selbst, was es schon so vielen angetan hatte.

Vor siebzehn Jahren war ich in New York auf Veranlassung derWeltspitze für Kinder. Die Kinderrechte wurden damals ratifiziert. Durfte mit Kindern vor der versammelten Weltführung und ihrer Presse singen.
Eingedenk des Basilisken, hab ich damals den vorzutragendenText, nur für mich sichtbar, an die Hinterseite eines Spiegels geklebt, so dass jedermann sieh an der Vorderseite selbst sehen konnte.
Selten war ich danach in so vielen Zeitungen, Journalen und Zeitschriften zugleich zu finden. Die meisten hatten sich selbst gefilmt oder fotografiert. Tags darauf fand ich mein Konterfei mit Spiegel und allem auf derTitelseite der NewYorkTimes. Will man sichtbar sein, zeig die anderen, denk ich, während ich mich zum soundsovielten Male rasiere.






Herman van Veen (63) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.