Melodie und Rhythmus
Detlef Plog

Hermann van Veen

oct 1882

Eigentlich ist dieser Beitrag ein Nachtrag. Denn was mir nach dem Gastspiel von Herman van Veen im Palast der Republik auf der Seele brannte (und brennt), das ist (teilweise zumindest) niedergeschrieben und schwarzweißbebildert auf den Seiten 12 und 13 des Juni-Heftes dieses Jahrganges zu finden, vorausgesetzt, das Heft findet sich noch. Erscheinungsmonat Oktober liefert buntbebildert nun die Angaben zur Person - nein, die Angabe von Personalien und Lebensdaten des Herman van Veen nach, für die ich damals keine einzige Zeile hergeben wollte. Und das hat seinen Grund.


Es war bestimmt nicht der beste Weg, auf dem ich Hermann van Veen kennenlernte. Denn anfänglich hatte ich nur etliche euphorische Äußerungen über und einige wenige leise Lieder von ihm gehört. Nun macht mich allzu heftig hervorgebrachte Euphorie ohnehin argwöhnisch, und die Lautstärke der Beifallsäußerungen paßte zudem so gar nicht zur verhaltenen Transparenz der mir bekannten Lieder. Später wollte es der Zufall (bzw. die Vorverkaufskasse), daß ich Herman van Veen zuerst während eines Pressegesprächs zuhörte, bevor ich ihn bei seinem zweiten Konzertabend hörte. Da saß ein geistvoller ~7 Mann und gab auf mehr oder minder geistvolle Anfragen meist mehr und selten minder geistvoll Auskunft. Ober seine Herkunft: geboren Im niederländischen Utrecht am 14. März 1945.

Piano und Geige spielen lernt er am örtlichen Konservatorium - 1967 Examen als Musikpädagoge. Doch während der Studienzeit bereits entsteht, was später die erste Strecke des erfolgreichen Kleinkunstweges werden soll: musikalisch-kabarettistische Programme, "Harlekijn" betitelt Unter selbigem Signum finden sich auch die Studienfreunde, die Musiker, Dichter, Theatermenschen
In einer Künstlervereinigung zusammen, aus der später ein Buchveriag, eine Schallplattenfirma, ein Theatervertrieb wird - "alles sehr klein", wie van Veen sagt, alles aber sehr engagiert und bis Heute unter seinem Patronat. Beachtliches hat er (besser: hatte er) uber seine künstleriscnen Meriten mit zuteilen, denn er verschweigt weit mehr, als man an geeigneter Stelle nachlesen kann: von einem zweijährigen, durchweg ausverkauften und umjubelten Gastspiel in Amsterdam etwa oder einer ganzen Galerie internationaler Auszeichnungen und Kritikerpreise: von bislang (l8 Langspielplatten, mehreren Büchern, vom Dokumentarfilmer van Veen und dem gleichnamigen Spielfilmregisseur und -akteur. Weit lieber als von seinen Erfolgen spricht er, scheint's, von seinem nebenkünstlerischen Engagement für 14 Jahre war er offizieller Vertreter der niederländischen Jugend bei der UNICEF, seit 1977 ist van Veen in der Hilfsorganisation,für die Dritte Welt "Colombine", deren Mitbegründer er ist, aktiv, und 1982 sang er vor 450 000 Menschen bei der Amsterdamer Friedenskundgebung.

Natürlich wird über Kunst geredet an diesem Nachmittag, nach seiner Kunst gefragt. Die Musik der Lieder schreibt er ausschließlich selbst, oft auch die Texte.

"Die Texte müssen objektive Kraft haben. Ob ich es selber aufschreibe oder ein anderer es tut - ich singe nur, was ichf selber erlebt und empfunden habe." Und über seine Haltung zum Publikum: "Man muß sich offen zeigen in seiner Angst, Hoffnung, Gewißheit, Idiotie, Kraft, Armut, Zuversicht - dann kann man miteinander reden." Alles, was Herman van Veen In diesem Gespräch sagt, erzählt, beschreibt, antwortet birgt Oberlegung, sicher, auch weiter zu Oberlegendes, birgt eine Oberzeugung, die tief ist und doch offen für neue Erkenntnis. Er ist uneitel, eher forciert selbstironisch, er taktiert nicht, um zu gefallen. Am Ende weiß Ich sehr viel mehr über und ein ganz klein bißchen von ihm.

Kennengelernt habe Ich Ihn überhaupt nicht Das erfahre ich am eigenen Leib, an Herz und Hirn, als er beim abendlichen Konzert die erste Hand Reis symbolisch ins Publikum wirft, die ersten verlockenden Gedankenfährten vorzeichnet als das erste gemeinsame Fühlen sich zärtlich und unerbittlich zugleich von der Bühne auf die Zuschauer überträgt. Wie sich Menschlichkeit und Menschliches In all Ihren möglichen Höhen und Tiefen da In Worte, Töne, Stimmungen, Bewegungen formulieren ... Die Worte gezügelt! Schließlich soll diesmal ein biografischer Nachtrag und keine bewegte Konzertbeschreibung die Druckzeilen füllen. Und da bemerkt der für gewöhnlich gegen Euphorie gewappnete Verfasser doch, daß er gerade in ebensolche zu verfallen drohte. Das muß am Gegenstand liegen.



Detlef Plog