Herman van Veen
SH am Sonntag

Erfahrung


19 okt 2008

Eine Birke steht mit ihrem federweißen Stamm strahlend im Herbstlicht neben der Hecke beim Fenster, hinter dem ich gerade sitze und schreibe. Das Gras ist übersät von sich kräuselnden Eichen-und Kastanienblättern. Ein Igel schlürft längs des Lavendel entlang, streift am Efeu vorbei, verschwindet unter einer Pflanze, deren Namen ich nicht kenne. Die Kirchenglocke imTurm schlägt elf Uhr. Unser Hund steht wedelnd vor der geschlossenenTür. Er muss mal.

Meine Trau sagt: "Lass mich kurz meine Stiefel anziehen." Ich hör den Reißverschluss ihrer Jacke.

Vom unteren Reetdach fallen der Reihe nach große Tropfen auf die Steine des Weges, der rund um unsere Haus führt. Zoome wie eine Kamera meine Augen zu einer Pfütze. Neben der Pfütze liegt eine Eichel. Patsch!

EinTropfen. Die Eichel scheint zu erschrecken. Eine Art Spinne versucht über die Eichel hinweg zu klettern. Warum krabbelt sie nicht drum herum? Gut fünfmal fällt sie von der glatten Unterseite auf ihren Rücken. Jetzt klettert sie wie ein Alpinist die glatte Eichel hoch und scheint kurz auszuruhen.

Patsch!

Ein großerTropfen fällt auf ihren Rücken. Panik. Totenstill bleibt die Spinne oder so vor lauter Schreck sitzen und kraxelt dann an der anderenseite nach unten.

Patsch!

Wieder ein Tropfen! Diesmal ein sehr großer. Die kleine Spinne oder so treibt mit dem Wasser zu einem winzigen Rinnsal, das, je größer es wird, stärker zu einem Loch hin strömt. Was wird nur aus ihr werden? Ich halte noch kurz Ausschau. Ah gut! Da ist sie wieder. Läuft den ganzen langen Weg zurück zur Eichel. Wartet und scheint nachzudenken. Und läuft dann drum herum.



Herman van Veen (63) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.