Herman van Veen
SH am Sonntag
Gesicht
2 nov 2008

Liebe Mama,

sah gerade ein Foto von mir im Nordischen Tageblatt.

Jesus Christus, was kriege ich für einen alten Kopf.

Höre dich nun sagen: "Na, das will ich auch hoffen."

Mein Haar ist beinahe weiß, so weiß wie das von Papa. Hab dieselbe Spezies Sommersprossen und Altersflecken auf meinem kahlen Schädel. Braune Inseln und rosige Flecken. Scharfe Furchen auf meiner Stirn und eine gleichsam eingemeißelte Falte. Die Haare meiner Augenbrauen wachsen genau wie bei Opa widerborstig in alle Richtungen. Und meine Augen: Das linke guckt wie du, das rechte eher wie Papa. Sie liegen in Höhlen umringt von Lachfalten. Meine Nase ist gut gewachsen, sie ist recht fleischig, übersät mit unzähligen, winzigkleinen Löchlein.

Zwei tiefe Furchen markieren meinen Mund. DieserTeil meines Gesichtes ähnelt merkwürdig stark dem des Schweizer Clowns Grock. Mein Mund weigert sich komplett, ein Strich zu werden. Wurde geschaffen, um zu singen, zu essen, zu küssen und vor allem, um zu trinken. Er hat noch immer gewaltig viel Mühe mit dem Wort: "Nein" Meine Lippen probieren zu gern, genau wie Vater, vom weißen und vom roten Wein.

Von meinem Gesicht hat man kürzlich eine Briefmarke gemacht" Manchmal kommt mir mein Bildnis auf einem Brief oder einer Ansichtskarte entgegen. Bin ich das? Mit diesen kleinen Zacken und den 44 Cent?

Alles, was ich im Spiegel sehe, erinnert mich an euch. Wie geht es denn dort? Da, wo ihr seid? Hab das Gefühl, dass Papa sehr viel angelt, und dass du durch die Wolken lugst, um einen Schimmer von deinen Kindern und Kindeskindern aufzufangen. Und die Kinder, die inzwischen Kinder kriegen, die sind echt gut gelungen. Weiß beinahe sicher, dass du sie sehen kannst.

Tschüss! Grüße auch an Papa!

Dein seelenfroher Sohn



Herman van Veen (63) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.