Herman van Veen
SH am Sonntag
Kreideweiß
jan 2008

Ich saß daheim auf der Couch. "Schlug das Buch auf, das ich zurzeit las, aber konnte die Seite, auf der ich zuletzt gewesen war, nicht mehr finden. Bin also Fernsehen schauen gegangen.

Zappte mich durch die Kanäle.
Auf jedem Sender sah ich denselben Kobold mit verschiedenen Menschen reden.
Könige, Popstars, Magnaten, Präsidenten, Travestiekünstler, Kardinale, Generäle.
Aber wie laut ich den Ton auch aufdrehte, das, worüber sie sprachen, blieb für mich unverständlich. Ich klopfte auf den Bildschirm.
Der Kobold drehte sich um.
Ich fragte: "Was geht hier vor?"
Der Kobold streckte seine Arme machtlos in die Luft und sagte: "Alfred Jodocus Kwak ist irgendwo in Afghanistan auf eine Landmine gewatschelt. Ich suche ein Herz, aber kann keinen Spender finden." Ich wurde kreideweiß.

Aber Alfred ist eine Idee, eine Zeichnung. Hab ihn selbst erfunden, nachdem ich versehentlich eine Ente totgefahren hatte. Wie kann man jemandem ein Herz geben, wenn er aus Papier ist?

Der Kobold blickte mich durchdringend an, streckte unvermittelt seine Hand durch den Bildschirm, riss mir das Herz aus meinem Brustkorb und stopfte in das blutende Loch einen Wecker, der zwei Minuten später klingelte.

Finsternis und ein strahlendes Licht.

Ich stand in der Zeichnung einer Wüste. Neben meinem Kopf, erschien eine Sprechblase. Als ich aufschaute, sah ich das riesengroße Gesicht des Koboldes.

"Wo bin ich?" erschien in panikartigen Buchstaben in der Blase neben meinem erstaunt gezeichneten Kopf.
"In einem Comic" sagte der Kobold, "ich bin dabei, dich zu lesen"

"Hilfe, Hilfe!" erschien in einer anderen Sprechblase diesmal über meinem Kop
"Was soll ich tun?"

"Was du tun sollst?" "Das sollst du nicht mich fragen" antwortete der Kobold.
"Es ist dein Traum."



Herman van Veen (60) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.