Herman van Veen
SH am Sonntag
Onkel Wim
28 okt 2007

Onkel Wim, der Mann von Tante Jans, ist tot. Er wurde fast 90 Jahre alt. Von der Generation meiner Eltern ist nun niemand mehr am Leben. Alle ist alle. Nun sind wir an der Reihe. Onkel Wim war ein freundlicher, ordentlicher, verträglicher Mann. Als Kind war ich gern dort. Sonnabends durfte ich dann für ihn Klößchen für die Suppe drehen oder Schallplatten. Sie hatten so einen prächtigen Jukebox-artigen Plattenspieler mit einer fingerfreien Glasglocke, wodurch man die Langspielplatten eine nach der anderen dicht nebeneinander vorbeirauschen sehen konnte. Doris Day, Pat Boone, Louis Armstrong, Vera Lynn, Edith Piaf.The Everly Brothers und wieder von vorn. Durfte da durchs Zimmer toben, seinen Lottoschein ausfüllen, mit ihm herumalbern, aber niemals, niemals an seine Haare kommen. Das saß genauso wie bei Frank Sinatra. Straffer Scheitel, geschmeidiges Wellchen nach hinten gekämmt, messerscharfe kurze Koteletten. Das war Sperrgebiet.

Onkel Wim war Musikant und Verkäufer von Herrenkleidung und Matratzen. Er ging stets tiptop gekleidet in präch tigen, von ihm selbst gestärkten Oberhemden. Arbeitete, sofern ich mich erinnern kann, in der Galerie Modern, damals noch gegenüber von Vroom & Dreesmann in Utrecht. An den Wochenenden spielte er Schlagzeug auf Hochzeit und Partys. Legendär waren seine Anekdoten, die er selbst am allerlustigsten fand.

Seinen Leichnam hat er der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Würde künftige Doktoren raten, während sie das Operieren lernen, das Sägen und Schneiden im Leichnam meines Onkels Wim, ihre Aufgabe zu erledigen, aber sich zu beherrschen, wenn es um das Obere seines Kopfes geht. Denn wenngleich er auch schon gestorben ist, wird er ohne jeden Zweifel aus dem Tod hochfahren, falls du an sein Haar kommst.



Herman van Veen (63) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.