ALEXANDER WALDHELM schreef 19 okt 2007 in NRZ in Mulheim


That's Entertainment!


KONZERT. Herman van Veen begeisterte in der fast ausverkauften Stadthalle mit einer Mischung aus Musik, Poesie und Komik. Er ist Liedermacher, Poet, Clown, Entertainer und ein großartiger Sänger. Das sind wohl auch die Gründe dafür, dass keinem der knapp 900 Besucher der Stadthalle am Donnerstagabend die drei Stunden zu lang vorkamen, in denen ihnen Herman van Veen seine ganz eigene Welt zu Füßen legte.


Begleitet wurde er dabei von der Gitarren-Virtuosin Edith Leerkes, die - mal im Hintergrund, mal in der Mitte stehend - nahezu jedes Handeln van Veens mit sanften oder temperamentvollen Klängen - jedoch immer passend - untermalte.
Der Niederländer mit den grauen Haaren und der Aura eines lieben Großvaters kommt nicht einfach auf die Bühne - er beschreitet sie. Was andere als Höhepunkt ihres Auftritts versuchen, stellt er seinem Programm voran: Schon beim allerersten Lied lässt er sein Publikum mitmusizieren. Das ist kein Problem, ist die Stimmung von Beginn an doch viel mehr wie in einer geselligen Runde als in einer rein konsumatorischen Veranstaltung, bei der einer vorne macht und alle anderen nur zugucken.
Herman van Veen hat am Utrechter Konservatorium Geige, Gesang und Musikpädagogik studiert. In einer Nummer nimmt er die Operette auf?s Korn und singt nacheinander sowohl den Chor, als auch den Tenor, den Bariton - und den Sopran! Alles wohlgemerkt in bestechender Qualität.
Da können auch seine gelegentlich wie Slapstick anmutenden Tanzeinlagen oder das Spritzen von Wasser in die ersten vier Sitzreihen nicht über seine außergewöhnlichen Gesangsqualitäten hinwegtäuschen.
Sein Auftritt ist mit dem Attribut "interdisziplinär" wohl am besten beschrieben: Van Veen singt, tanzt, spielt, rezitiert und erzählt Witze. Unvermittelt verteilt er hunderte Tischtennisbälle über die ganze Bühne oder übertüncht den gesamten Bühnenboden mit silbernem Flitter. Mit fortschreitender Dauer wird der schwarze Kasten am vorderen Ende der Sitzreihen immer mehr zu seiner ganz eigenen Welt, in der er sich hin und her bewegt und allem, was sich ihm bietet, Musikalisches entlockt.
Zum Schluss erheben sich die Zuschauer im Theatersaal von ihren Sitzen und spenden stehend Applaus, begleitet von begeisterten Pfiffen und ebensolchem Johlen. Danach verlässt der Großteil der Zuschauer nach und nach den Saal. Nur einige wenige harren aus und klatschen und rufen, bis van Veen ihnen einen weiteren, kurzen Moment seiner Aufmerksamkeit schenkt.
Als das Licht schon längst wieder an ist und sogar schon die Bühnenrückwand hochgefahren wird, erscheint er beinahe drei Stunden nach Beginn ein allerletztes Mal: "Ich habe noch ein Gedicht gefunden. Ich habe es heute geschrieben. Es ist für meinen Vater." Und so teilt er zum Schluss seine intimsten Gedanken, die er erst Stunden zuvor zu Papier gebracht hat, mit dem ganz harten Kern seines Publikums, um danach sanften Schrittes tatsächlich hinter dem Vorhang zu verschwinden.


Es war ein Fest für die Sinne.



Mülheim, 19.10.2007, ALEXANDER WALDHELM,