Werner Zwarte schrieb am 30.01.06 in der Ostfriesen Zeitung


Sänger, Musikant, Clown und Philosoph in einer Person


UNTERHALTUNG Herman van Veen begeisterte das Emder Publikum


Nach drei Stunden endete der Auftritt und wurde mit Applaus im Stehen belohnt. Auch die Mitstreiter des Niederländers überzeugten.

EMDEN
Sonnabendabend in der Emder Nordseehalle: Es wird dunkel. 1600 Zuschauer sind gespannt. Klavierklänge erfüllen den Saal, der schwarze Vorhang öffnet sich. Am Flügel spielt, unverwechselbar im Aussehen, Herman van Veen, der holländische Sänger, Musikant, Clown, Kabarettist, Komödiant, Harlekin Philosoph und mehr. Und auf jedem Gebiet ist er der Superlativ.

Es gibt auf den Brettern, die die Welt bedeuten, eigentlich kaum Vergleichbares. Das Spektrum dieses Künstlers ist unbeschreiblich harmonisch, disharmonisch, wohlgefällig, provokant er versteht es, Sinne zu erobern und sie im selben Moment zu erdolchen, mit einem augenzwinkernden Lächeln.

Herman ist 60, doch er benimmt sich manchmal wie sechs. Er tobt sich aus als Primus inter Pares bei seinen Musikern, die alle für sich Luxus sind, instrumentale Spitzenklasse. Da gibt es Erik van der Wurff, mit dem van Veen seit mehr als 43 Jahren zusammenarbeitet. Arbeitet? Das ist keine Arbeit, das ist musikalische Symbiose! Edith Leerkes ist als Gitarristin weltberühmt, sie lebt das Spiel auf diesem Instrument. Eine Teufelsgeigerin erlebt die Nordseehalle in Jannemien Cnossen. Die Violine ist ihr unterwürfig und erlaubt ihr alles, ob gezupft, gestrichen oder geschlagen, mal mit Bogen, mal mit Fingerkuppen enthusiastisch. Schlacksig klassisch streicht Jüngling Karel Bredenhorst das Cello. Der mehrfach mit Prämien ausgezeichnete Künstler macht einen Abend komplett, der kein Konzert, kein Theaterspiel, keine Comedy, keine Satire ist, und doch ist es insgesamt genau das alles auf einem Niveau, wie man es höher kaum hängen kann.

Van Veen singt von Amsterdam Süd, Flussviertel. Er singt von den viel zu jungen Mädchen im Rotlichtviertel am Oude Kerkseplein. Wohin will der Zug, wenn er selber entscheiden könnte? Das Schiff, wenn die politische Lage es zuließe? Van Veen zeigt die Grenzen der Menschheit und hebt sie zumindest für seine Zeit auf die er auf der Bühne leben darf. Seelische Schwerelosigkeit, Geborgenheit liefert er den Zuschauern, um im selben Atemzug zu flüstern, dass diese Geborgenheit in Afrika Tod bedeutet.
Ein faszinierender Abend geht nach drei Stunden zu Ende, der Zugabenteil füllt fast eine halbe Stunde. Es könnte bis zum frühen Morgen so weitergehen. Das Publikum ist begeistert und applaudiert im Stehen.