Grit Schorn schrieb am 27.03.2006 in den Aachener Nachrichten


Unverfälschte Liebeserklärung an das Leben


Aachen.
Er heißt van Veen, Herman mit einem n, aber er hat wohl die Kraft zweier Herzen, denn eines kann unmöglich ausreichen für so viel Vitalität, Humor, Magie und Menschlichkeit. Wer am Freitag- oder auch am Samstagabend im ausverkauften Eurogress noch nicht Fan von van Veen war, hatte zwischen 20 und 23 Uhr keine Schwierigkeiten, es zu werden. Da durfte der 61-Jährige, der das Publikum zum Geburtstagsständchen herausforderte, sich auch ein wenig selbst feiern lassen, obwohl sein Wiegenfest schon zehn Tage zurücklag.

Dennoch, Opa mit 61 hin oder her, das Lied "Es ist eine 6 vor meine Nummer gekommen" mochte er partout nicht singen, denn "Ich sträube mich gegen die 6, ...als wäre ich umbenannt."

Dass es vor allem die so genannte "Kleinkunst" ist, die den Mann aus Utrecht groß gemacht hat, weiß er sehr gut, so gut, dass er noch immer - geradezu betörend - auf diesem "Instrument" zu spielen vermag. Überhaupt Instrumente: Die bleiben ein unverzichtbarer Teil seiner Kunst und der "seiner" Truppe, bestehend aus Erik van der Wurff (Piano), Edith Leerkes (Gitarre und Gesang), Jannemien Cnossen (Geige und Gesang) sowie Karel Bredenhorst am Cello.

Ob Spaßmacher, Musik-Clown, köstlicher Kalauer-Erzähler oder melancholischer Barde, Herman van Veen macht Menschen Freude. Unbefangen wie ein Kind, verschmitzt wie ein Alter spielt er mit seinen Pingpong-Bällen und Luftballons, er verstreut Glitter über die Musiker und das Publikum, das ganz und gar seinem Zauber erliegt.

Van Veen singt und musiziert mit seinen Leuten, als betreibe er Hausmusik mit lieben Verwandten - und lässt dem virtuosen Quartett dennoch viel Spielraum für hinreißende Soli, so auch Edith Leerkes, die ihrer Gitarre wilde Töne entlockt. Tief berührend ihr Liedvortrag nach einem Gedicht der jungen Selma Meerbaum-Eisinger, die von den Nazis deportiert und ermordet wurde.


Mit kurzen Hosen

Mit dem Song "Erik, war die Welt besser, als wir 18 waren?" würdigt van Veen seinen langjährigen Freund und Weggefährten, den brillanten Pianisten Erik van der Wurff, küsst ihn wie selbstverständlich auf das gelichtete Haupt. Er spielt mit dem hingerissenen Publikum, zeigt sich kalauernd mit kurzen Hosen und ohne sein blaues Hemd - und ist doch immer ganz er selbst.

Ein Mensch unter Menschen, einer, der hier eine unverfälschte Liebeserklärung an das Leben abgibt und wie nebenbei von eigenen Krisen und Problemen singt und spricht.

Nach unzähligen Zugaben verabschieden sich die Künstler, nicht ohne dass Herman van Veen - "Hut ab" heißt das Programm - sich aller Hüte entledigt und den Zuschauern noch eine Weisheit mit auf den Weg gibt: "Fahren Sie lieber durch die Böschung, die schlimmsten Unfälle passieren auf der Straße!"