Jürgen Tremper schrieb am 20.11.2006 im Nordkurier...


Multitalent malt Stimmungen

Herman van Veen und Edith Leerkes singen, erzählen, tanzen und trommeln ihre Weihnachtsphilosophie in des Publikums Herzen.


NEUBRANDENBURG: Die Konzertkirche steht im festlichen Abendlicht. Mehr als 750 Besucher strömen hinein. Sechs Tage vor Heiligabend singt und erzählt Herman van Veen (Jahrgang 1945) von Weihnachten. Auf der Gitarre begleitet von Edith Leerkes. Über der Bühne hängt ein schlichtes Holzkreuz, darunter leuchten Kerzen.

Herman van Veen bei seinem umjubelten Auftritt in der Neubrandenburger Konzertkirche. Das Multitalent zeigte, ihn nur als Sänger zu feiern, wird seinen künstlerischen Talenten nicht gerecht.



Die beiden Protagonisten kommen in festlichen schwarzen Gewändern. Er in weiß-schwarzen Schuhen, sie mit nackten Füßen. „Guten Abend“, sagt er nach der freundlichen Begrüßung durchs Publikum und singt los. Das Lied vom falschen Rat und vom verlorenen Glauben. Im Konzertsaal schwingt rasch eine wunderbare Aufmerksamkeit, entsteht mit den ersten Liedern wissbegierige Spannung, wie er seine Sicht auf die Geschichte Jesu wohl gestallten wird. En Seine gescheite Lied-Text-Collage entfaltet sich von den persönlichen Erinnerungen bei ihm zu Haus bis zum kraftvollen „Kyrie Eleison“ in einem faszinierenden Spannungsbogen. Leise, kraftvoll, schlicht und auch heiter-ironisch. Seine Art, mit persönlichen Texten vors Publikum zu treten und rasch eine Verbindung auf stimmiger Frequenz zu finden, ist des niederländischen Multitalents Stärke. Er singt, erzählt, dirigiert, tanzt, trommelt, erinnert sich und hört zu, beispielsweise, wenn das Publik seine um „Stille Nacht, heilige Nacht“ singt.
Der weißhaarige Entertainer zieht seine Zuhörer fast zwei Stunden in den Bann, ein Wechselbad der Gefühle zwischen Ergreifen und Erschüttern.

Es geht um Mensch sein

Es gelingt dem singenden Poeten, auf unterhaltsame Art seine Weihnachtsphilosophie in die Herzen des Publikums zu transplantieren. Er schildert seine Weihnachtsgeschichte mit begnadeter Stimme, mit zarten Gesten, mit einem fabulierfreudigem Körper und mit einer sensiblen Mimik. Es geht ums Menschsein, Mord und Todschlag, Krieg und Frieden sowie um die Liebe. Stimmungsvolle „Zwischenmusiken“ schaffen feine Übergänge, vor allem aber feuert das Duo immer wieder die Dramaturgie des Abends an. Im Saal wird spätestens nach der Pause an den begeisterten Publikumsreaktionen und mit den vielen Bravorufen klar, auf der Bühne malen zwei erstklassige Solisten mit Gitarre, Violine und Trommeln Stimmungen. Die Stimmen von van Veen und Leerkes schreiten von piano bis forte alle interpretatorischen Nuancen aus. So entwickelt sich diese außergewöhnliche Konzertlesung zu einem Fest der Wahrheitssuche, der Künste und der Atmosphären, ganz nah an den unerbittlichen Realitäten dieser Welt.
Die Protagonisten seufzen und klagen an, preisen Gott und benennen die wahren Mörder besungener Gemetzel „Es sind die Menschen“.

Neuerlich zeigt sich, Herman van Veen nur als Sänger zu feiern, wird seinen künstlerischen Talenten nicht gerecht. Er kann erzählen, singen, musizieren, plaudern und aufrufen. Zudem zeigt er sich exzellent als Schriftsteller, Liedermacher, Dramaturg, Kabarettist und Entertainer. Van Veen singt und spricht auch vom Sterben und Morden, intoniert seine Hymne über das Lieben. Vor allem aber haben ein glänzend aufgelegter Herman van Veen uns seine exzellente Begleiterin Edith Leerkes ihre Botschaft über neue Hoffnungen, dass es hier einmal besser wird, verkündet. Sie beschenken ihr Publikum im Übermaß mit einem stimmigen, inhaltsreichen Abend in der Adventszeit. Zudem mit mehr als fünf Zugaben. Ein frommer Zauber entlässt das beseelte Publikum nach zwei Stunden in seine Wohnstuben. Es fühlt, ein Wunder ist geschehen. Noch vor dem Fest werden die Zuhörer allerorten erzählen „Es begab sich aber zu der Zeit“. Wie in der biblischen Weihnachtsgeschichte.



Von Jürgen Tremper