Heike Krüger schrieb am 13.02.2006 in der Zeitung - Neue Westfälische (Bielefeld)


Unter vielen Hüten
Herman van Veen in Bielefeld: Der singende Holländer füllt auch mit 60 große Hallen

Bielefeld
Dem Mann passen viele Hüte: Liedermacher, Sänger, Musiker, Clown und Stifter, Schauspieler, und Buchautor - die Liste der Professionen des auch mit 60 noch schalkhaften Holländers ist lang. Am Freitag war Herman van Veen mal wieder in der Stadt. Und bewies, dass er noch immer große Hallen füllt.

Sein aktuelles Programm "Hut ab!" wollten in der Stadthalle vor allem jene sehen und hören, die ihm schon beinahe seit Jahrzehnten die Treue halten: So sind die Haare grauer, die Köpfe kahler geworden - die Inbrunst, mit der seine Fans noch die letzte Zugabe stehend und bei voller Beleuchtung forderten, als die weniger Geduldigen längst zum Parkhaus geeilt waren, ist keineswegs gealtert.
Der rastlose Romantiker, der stets so überzeugend Poesie mit Politik verschmolz, der trotz seines enormen Alltagspensums niemals getrieben wirkt, hat sich auch mit 60 noch Charme, Schalk und Charisma erhalten. Seine klare Stimme ist kraftvoll wie immer, sein Geigenspiel wirkt noch virtuoser im Zusammenklang mit den exzellenten Musikern.
Ihnen gebürt ein besonderes Lob: Jeder einzelne brillierte mit klanglicher Präzision, konnte sich in der sensibel auch auf die Musiker eingestellten Dramaturgie wirkungsvoll entfalten: Erik van der Wurff (Pinano), langjähriger Partner van Veens, Edith Leerkes, furiose Gitarristin, Jannemien Cnossen, Violinistin mit Gesangsambitionen (mehr davon!) und Cellist Karel Bredenhorst - sie alle gaben dem Konzert mehr als eine unterstützende Note.

Und so war einiges anders als in früheren Konzerten des Holländers: der instrumentale Anteil größer, die eingestreuten Anekdoten und Clownereien knapper, die neuen Lieder weniger politisch als in den Jahren nach dem NATO-Doppelbeschluss oder später dem Fall der Berliner Mauer.

Immer brach sich für Herman van Veen das Politische im Privaten. In seinen Statements und Bühneninszenierungen war er indes schon einmal entschlossener. Lediglich in "Schularbeiten", in dem wie bei drei übereinander projizierten Dias Kindheit, Studentenzeit und das Leid im Irakkrieg miteinander verschmolzen, war noch jener alte Kunstgriff zu entdecken.
Ahnt man da den allseits erkennbaren Rückzug ins Private, angesichts wachsender Komplexität der Welt? Oder hat sich diese Art von Auftritten, nie ganz frei vom moralischen Unterton, einfach überlebt? Dem Genuss am Konzertabend tat das keinen Abbruch - ein neuer Umgang mit den Themen ist allemal ehrlicher als populistisches Kramen in der Mottenkiste.

Wer "seinen" Herman mit den wundervoll schöpferischen Einstreuern zwischen den Liedern, hüpfenden Ping Pong-Bällen, den warmherzigen Erinnerungen an die reiche Prägung durch seine Eltern ("In den Augen meiner Mutter"), die vielen biografischen Bezüge und liebevollen Hymnen an Kinder und Enkel, verflossene und aktuelle Lieben nicht missen wollte, bekam ja reichlich davon.
Wurde es allzu melancholisch, wechselte der brillante Entertainer blitzschnell vom Ernst zum Klamauk. Das Kind im Manne ist beruhigend munter. Doch auch das Altern ist, wenn auch noch leichtfüßig und anekdotenhaft verpackt, ganz offensichtlich für van Veen ein Thema geworden.

Die alten Nummern wie "Ohne dich" oder "Er geht und er singt" blieb er seinen Fans nicht schuldig. Doch haben auch sie manchmal ein neues Gewand bekommen: So ging "Ein zärtliches Gefühl" im haltlosen Geschrammel einer Punk-Version unter. Den "alten" Herman gibt es noch. Aber der weigert sich offensichtlich, immer nur die zwar sicheren, doch oft ausgetretenen Pfade zu gehen.



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